Vom Potsdamer Platz zum Tiergartentunnel

Vom Potsdamer Platz zum Tiergartentunnel

Nachdem die beiden Senatoren für Stadtentwicklung und für Verkehr ihre neuesten Erkenntnisse zum Potsdamer Platz bzw. zum Verkehr im Zentralen Bereich verkündet haben, hat man den Eindruck, daß die Verkehrsplanung in, unter und über dem Tiergarten sehr bald die Diskussion über die Bauhöhen von Daimler und Sony in den Schatten stellen wird. Die neue Auseinandersetzung ist ähnlich symbolbeladen und hat ihr unverkennbares Zentrum im Altthema vom Autotunnel. Auch hier besteht wieder die Gefahr, daß mit dem Kriegsgeschrei um das eine Reizthema viele anderen Sachfragen ins Abseits gedrängt werden.

Der lange erwartete Senatsbeschluß zum Potsdamer Platz enthält eine positive Richtungsvorgabe und mehrere unübersehbare Schwachstellen. Der Beschluß erklärt den Münchner Entwurf zur Grundlage der städtebaulichen Ordnung und beendet damit den Poker über das vorliegende Alternativkonzept der Investoren. Da andererseits eine Vielzahl von Kompromissen gemacht worden sind, ist das, was in dem Beschluß als Senatskonzept sichtbar wird, leicht angreifbar:

—Die Erhöhung des Wohnanteils im Gesamtkonzept wurde erkauft mit einer Heraufsetzung der vorgeschlagenen Sonderbauhöhe (35 Meter) um zwei weitere (zurückgesetzte) Geschosse und dem Zugeständnis, daß Daimler für seine Debis-Tochter ein eigenes Hochhaus am Landwehrkanal errichten darf. Diese Heraufsetzung von Höhe und Dichte widerspricht den Preisgerichtsempfehlungen und bedeutet mit Sicherheit nicht ein Mehr an Stadtverträglichkeit.

—Zum wiederholten Mal wird in dem Potsdamer-Platz-Bereich ein Bahnhof definiert, für den es noch gar keine abgesicherte konzeptionelle Basis gibt.

—Die Ausführungen zum künftigen Ost-West-Verkehr sind sehr zurückhaltend. »Bei der Dimensionierung der Leipziger Straße ist von der Wiederherstellung des historischen Straßenprofils auszugehen.« Das ist eine alte Forderung. Aber wie geht das weiter? Dazu sagt das Senatspapier nichts.

—Bei der Frage der Anbindung des Potsdamer Platzes an die Entlastungsstraße und den wiedererstandenen Tunnel schweigt sich der Senatsbeschluß ganz aus, obwohl jeder weiß, wie entscheidend die verkehrlichen Funktionen sind, die über den westlichen Rand des Potsdamer- Platz-Areals abgewickelt werden, und daß der Verkehrskollaps dieses Raumes dort auftreten muß.

In der Koalitionsvereinbarung war festgelegt worden, daß der Ersatz der Entlastungsstraße durch einen Tunnel geprüft werden sollte. Bis heute gibt es weder die Untersuchung von Alternativen noch Kosten-Nutzen-Analysen, noch ein Finanzierungskonzept. Jeder hat gewußt, daß es schwer ist, die verschiedenen Interessen im Zentralen Bereich in eine sinnvolle Ordnung zu bringen. Was jetzt als städtebaulicher Rahmen sichtbar wird, ist unbefriedigend.

1.Alles, was jetzt als Konzept für den Zentralen Bereich auf dem Tisch liegt, wirkt unzusammenhängend, obwohl alle Konzeptteile einmal zusammen funktionieren müssen. Man hat den Eindruck, daß hier Städtebau ohne Verkehrsplanung und Verkehrsplanung ohne Städtebau betrieben wird. Nach diesem Muster ist vor zwanzig und dreißig Jahren schon einmal Stadtentwicklung durchgeführt worden, von den Folgen haben sich viele Orte in Berlin bis heute nicht erholt.

2.Die vorliegenden Konzepte wirken nicht qualifiziert. Nach dem solide vorbereiteten Wettbewerb sind an der Preisgerichtsempfehlung vorbei Änderungen vorgenommen worden, deren Plausibilitätsnachweis noch aussteht. Das Verkehrskonzept bemüht sich nicht einmal um Alternativen, die analytische Basis dieser Vorschläge ist unklar. Das Bahnkonzept ist offensichtlich noch Geheimsache. Da in der Stadt ausreichender Sachverstand vorhanden ist, sollten sich die Bürger und Politiker mit diesem Niveau nicht zufriedengeben.

3.Trotz Stadtforum, Wettbewerb, Verkehrsforum und Ausstellung ist das Zustandekommen der jüngsten Festlegungen zum Potsdamer Platz und des Verkehrskonzeptes nicht transparent. Keiner kennt die Pläne und Berechnungsgrundlagen, die man braucht, um die komplexe Materie zu beurteilen.

Alles das, was man heute frustriert vermißt, wird es wohl erst dann wieder geben, wenn sich der Senat von dieser aus den sechziger und siebziger Jahren bekannten Sachzwanglogik freimacht und sich souveräner mit den Bürgern über die Weiterentwicklung ihrer Stadt auseinandersetzt und wenn er einen organisatorischen Weg findet, das bornierte Nebeneinander von Ressortkonzepten wieder in integrierten Planungsprozessen zusammenzuführen.

Der Autor ist Stadtplaner in Berlin.