PRESS-SCHLAG: Eine Art Tennis
■ Grand Slam Cup in München: Hau-Drauf-Tennis und ein denkwürdiges Match
Niemand weiß derzeit, ob die Töchter von Ivan Lendl, die Kinder von Jimmy Connors oder die Rangen des John McEnroe einmal in die Fußstapfen ihrer Väter treten und als Tenniscracks zu Ruhm und Ehre gelangen werden. Bei Antoine, dem zweijährigen Sohn von Isabelle und Guy Forget, ist das etwas ganz anderes: Er wird im Jahre 2006 im zarten Alter von 16 Jahren das Tennisturnier von Toulouse gewinnen. Dazu verpflichtet ihn allein schon die Familientradition. Schließlich siegte im Jahre 1946 sein Urgroßvater in Toulouse, im Jahre 1966 sein Großvater und im Jahre 1986 Papa höchstpersönlich.
Auch über die Art und Weise seines Triumphes besteht kein Zweifel. Antoine Forget wird zwischen 1,90 und zwei Metern groß sein, einen Schläger von der Größe einer Familienpizza schwingen und nichts als Asse schlagen. Immerhin war Vater Guy schon im Jahre 1991 der unangefochtene König der Asse und die Entwicklung des Materials schreitet stetig voran.
„Das Spiel hat sich unglaublich verändert in den letzten beiden Jahren“, klagte der 39jährige Jimmy Connors beim Münchner Grand Slam Cup nach seiner Niederlage gegen den Schweizer Aufschlagriesen Jakob Hlasek. „Die Schläger sind größer, die Spieler sind größer, sie sind stärker, sie schlagen den Ball aufgrund des Materials härter, die Plätze sind schneller, die Bälle sind schneller. Das einzige, was sich nicht geändert hat, sind die Maße des Platzes. Wie können diese gleichbleiben, wenn sich alles andere geändert hat?“
Der extrem schnelle Supreme Court in der Münchner Olympiahalle produzierte Matches wie jenes Viertelfinale zwischen Guy Forget und Michael Stich, in dem die beiden insgesamt 63 Asse schlugen und Ballwechsel so selten waren wie Flüche aus dem Munde des Michael Chang. Für das Halbfinale Stich-Wheaton prophezeite Forget schon vorsorglich lauter Tie- breaks, und so kam es auch: Stich verlor 6:7, 6:7, 6:7. Allein die etwas softeren Vertreter ihrer Zunft, Chang und Lendl, spielten richtiges Tennis und lieferten sich ihr gewohnt denkwürdiges Match. Wie einst beim Krampfspiel der French Open 1989 gewann Lendl die beiden ersten Sätze und stand nach 4:41 Stunden doch als Verlierer auf dem Platz. Der zähe US-Amerikaner chinesischer Abstammung siegte 2:6, 4:6, 6:4, 7:6, 9:7.
„Langsam ist es überall wie Grastennis“, jammert Connors und sogar ein passionierter Aufschläger wie Stich pflichtet ihm vorsichtig bei: „Es ist nicht so interessant für die Zuschauer, aber es ist eine Art Tennis.“ Es gäbe so viele verschiedene Beläge, dieser gehöre halt auch irgendwie dazu. Für seinen Aufschlag seien solch superschnelle Böden natürlich ideal, „für den Return allerdings weniger“. Was das Halbfinale gegen Wheaton eindrucksvoll bewies.
Über Gegenmaßnahmen zur fortschreitenden Rapidisierung und Verarmung des Tennis wird schon seit längerem nachgedacht. Der alte Vorschlag, einfach den zweiten Aufschlag abzuschaffen, birgt einige Fallstricke. Zum einen ist ja gegen solides Serve- and-Volley-Spiel à la Edberg wenig einzuwenden, wenn es denn wenigstens zum Volley kommt, zum anderen sind die Returns mittlerweile so perfekt, daß bei nur einem Service die Aufschlag-Asse einfach durch Return-Asse ersetzt würden. Und sollte ein Spieler mal seinen Aufschlagrhythmus nicht finden, würden ganze Matches durch Servicefehler entschieden, auch nicht gerade erheiternd für das Publikum.
Da die Festlegung einer Maximalgröße von Tennisprofis ein wenig ungerecht anmutet, bliebe als anderer Weg die Reglementierung des Materials, analog um Speerwerfen, Rodeln, Skifahren und anderen Sportarten — kleinere Schlägerköpfe, langsamere Bälle. Eine Variante, die weder bei Spielern, noch bei Herstellern auf große Begeisterung stoßen dürfte, umfangreiche Kontrollmaßnahmen erforderlich machen würde und dennoch der Gefahr ständigen Unterlaufens durch neue technische Raffinessen ausgesetzt wäre.
Da auch die Connors-Idee, die Platzmaße zu verändern, etwas unausgegoren scheint, bleibt als realistischste Lösung vorerst, wenigstens die hyperschnellen Böden endlich aus dem Verkehr zu ziehen. Nieder mit dem Supreme Court, Wimbledon als letztes Reservat des Hau-Drauf-Tennis! Und Toulouse natürlich. Was würde sonst aus Antoine Forget? Matti
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