Herrn W.A.Mozart, Elysium, Postf.

■ Die „Gärtnerin aus Liebe“: Clown und Blumenfreund Dimitri mit einer Art Fleuroper am Goetheplatz

Allüberall sind Blumen hingemalt, es herrscht die Heiterkeit der Fingerfarben; vor riesigen Kinderzimmertapeten beblinzelt sich Opernvolk, und drei Stunden Verwechslerei braucht es, bis man einander und endlich Frieden gefunden hat. Dies alles hat, Bühnenbilder und Kostüme inklusive, einer inszeniert, geschneidert und bepinselt, der mit der Oper bisher noch nie was hatte: der Clown und Akrobat und Pantomime Dimitri aus dem Tessin.

Es war ein guter Einfall des Intendanten Richter, ihn einmal herzuholen. Aber leider sollte des Kleinkünstlers erste Tat in der großen Oper ausgerechnet eine sog. gute sein: nämlich einem hinfälligen Werk über den Orchestergraben zu helfen.

Mozart hat seine Finta Giardiniera, zu deutsch „Gärtnerin aus Liebe“, mit achtzehn Jahren, nun ja, nach Kräften heruntergeschrieben. Mehr ließ schon das dümmliche Libretto von Giuseppe Petrosellini nicht zu: die Marchesa Violante, die vordem vom eifernden Hallodri Belfiore niedergestochen ward, nimmt das Pseudonym Sandrina an, verkleidet sich als Gärtnerin und folgt ihrem Belfiore nach. Und am Ende, nach lauter Maskeraden, Klamottenklamauk und leeren Komplikationen, finden gleich drei Paare zu Lieb und Treu und Eierkuchen zusammen.

Wenn Dimitri nur gewagt hätte, dem alten Nummernzirkus ein wenig einzuheizen! Lieber aber hat er, mit viel Liebe und Habe-die-Ehre, einen freundlichen kleinen Blumengruß gewunden, eine Art Fleuroper sozusagen: hochachtungsvoll Herrn W. A. Mozart, Elysium, Postfach.

Immerhin ist es gelungen, etliche der leblosen Gestalten, die sich da umeinander tummeln, pantomimisch zu kräftigen. Der dicke alte Podesta (Jon David Gruett) etwa, der eine, der am Ende keine abkriegt, kommt als wunderbar komischer Tätschler und Tänzler daher; und Gruett ist, wenn man so sagen darf, ein Sänger mit rhetorischem Talent: witzfrisch und quasi eloquent parliert sich sein Sang durch alle Lebenslagen. Ganz im Gegensatz zu Kathryn Jayne Carpenter als Sandrina, die ihre Prachtstimme ganz

Wenn er nur dem alten Nummernzirkus etwas eingeheizt hätte

opera-seria-technisch zum Posieren korsettiert, daß' Gott erbarm.

Wir sehen lauter einzelne Figurenpantomimen, die sich nebeneinander zu hübschen Gruppenbildern addieren. Je mehr im Spiel sind, desto erträglicher ist die Langeweile. Sonst darf man wenig erwarten. Die große Komikmaschine, welche uns ganze Szenen zum Bekreischen umwälzen könnte, die hat Dimitri nicht angeworfen. Nicht einmal sein Bühnenbild hat er benutzt für etwaige witzige Umtriebe. An Ideen arm, aber glücklich: so strahlen uns die buntgeblümten Vorhänge an, die als bloße Kulisse hinters Spiel gehängt sind.

Die Münchner Uraufführung der „Gärtnerin aus Liebe“ im Januar 1775 ist, wie wir wissen, „so gut ausgefallen, daß ich der Mama den lärmen ohnmöglich beschreiben kann“. Dermaßen jubilierte Mozart in einem Brief an seine Mutter. „Nach einer jeden Aria war alzeit ein erschröckliches getös mit glatschen!“ Danach hat die Oper zwei Jahrhunderte lang kaum mehr Beachtung gefunden. Nicht ganz zu unrecht, wie gesagt, obwohl sonntags am Goetheplatz mal wieder nach einer jeden Aria geglatscht wurde.

Kein Wunder: Von einigen großartigen Passagen abgesehen hat der junge Mozart, der mit dem Stoff nicht viel anzufangen wußte, cool auf Erfolg komponiert: saubere Einfälle, und nach Strich und Faden rauf und runter variiert. Das Philharmonische Staatsorchester unter Istvan Denes tat sich daran gütlich ohne Tadel; herauszuholen war nicht eben viel.

Muß man solchen Schinken von überwiegend historischem Interesse überhaupt aufführen außer konzertant? Wenn, dann wünsch ich mir Mut zur Kürzung und auch Mut zu dem richtigen Karneval, für den diese Oper einmal geschrieben worden ist: es steckt einige Verwechslungsturbulenz drin und bietet sich an zum Überdrehen; es steckt eine possenmuntere Wer-Wen-Egalität der Erotik drin und bietet sich an zum Durchrühren. Wie hinterhältig könnte man sich da mit der Musik verbünden, der ja ebenfalls das meiste, und nicht ganz zu Unrecht, ziemlich einerlei ist. Manfred Dworschak

Nächste Vorstellung: Fr., 20.12, 19.30 Uhr