„Stoffe, die mich quälen“

■ Die New Yorker Filmemacherin Beth. B. stellte in Bremens Schauburg ihre Videos vor

Der kleine Saal der Schauburg war gut gefüllt mit fast ausschließlich in schwarz gewandeten ZuschauerInnen, und der Kenner der Bremer Filmszene neben mir behauptete, daß die Veranstaltungen des Kommunalkinos immer so eingefärbt wären, wenn in den Ankündigungen das Zauberwort „New York“ auftauche. Beth. B. (immerhin in schwarz/ grau) stellte drei ihrer neuesten Videos vor. Alle, die coole Avantgardewerke erwarteten, wurden enttäuscht. Denn anders als in ihren früheren Filmen wie „Vortex“ beschäftigt sich Beth. B. jetzt sehr ernsthaft und klug mit den dunklen, krankhaften Seiten der US-amerikanischen Gesellschaft. „Meine Filme und Videos basieren immer auf Fakten, aber andererseits kann ich nur dann arbeiten, wenn ich ganz persönlich getrofffen bin. Ich suche mir Stoffe und Themen, die mich bekümmern und quälen.“ (Alle Statements aus einem Interviewversuch im Médoc', dessen Ingwer-Auflauf Beth. B. in den höchsten Tönen lobte). „Thantopsis“ ist zum Beispiel eine Meditation darüber, daß „die USA nie lange von der Gewalt und dem Krieg wegbleiben können. Die Aggression unterstützt die vermeintlich friedliche middle class, die dann durch die Medien zuschaut.“ Die Schauspielerin Lydia Lunch spricht im Video eigene Texte und zeigt in ruhigen, fast sanften Einstellungen den Alltag einer mondänen Frau, die nach der Arbeit nach Hause kommt. Das Video wurde vor dem Golfkrieg produziert, die Premiere war 4 Tage nach Beginn der Offensive. „Als wir das machten, hatten wir keine Ahnung, wie perfekt es paßte.“ Trotzdem ist „Thantopsis“ das schwächste der drei Videos: die Texte von Frau Lunch sind leider sehr bemüht und pathetisch, außerdem ist es schlicht langweilig, sie 12 Minuten lang stehen, gehen, sitzen und liegen zu sehen.

Viel spannender sind die anderen beiden Videos: Erst am Schluß erfährt man, in welchem Kontext die in die Kamera gesprochenen Texte stehen. „Während die Medien immer deine Meinung schon für dich vorformen, will ich, daß sich jeder Zuschauer seine eigenen Gedanken macht.“ In „Belladonna“ sprechen Schauspieler mit vielen Schnitten und Wiederholungen Texte von Sigmund Freud und aus den Gerichtsprotokollen der Prozesse gegen Josef Mengele und einen US-Amerikaner, der seine Ehefrau mißhandelte und die Tochter totschlug. In der Dokumentation „Stigmata“ sprechen Personen zuerst über ihre Kindheit und ihr Leben. Erst langsam kommen Frustrationen und Selbstzerstörung zur Sprache, und in der Mitte des Filmes wird klar, daß alle drogensüchtig waren und erst nach großen Anstrengungen „clean“ wurden. „Ich wollte nicht, daß in den Köpfen der Zuschauer gleich die wohlbekannten Klappen zugehen. Jeder hat feste Vorstellungen über Drogensüchtige, aber auf die Kindheitserinnerungen kann jeder ganz unbelastet einen Reim machen, und dann sind die Klischees hinfällig, weil man die Menschen schon etwas kennengelernt hat.“ Der etwa 40 Minuten lange „Stigmata“ ist ein packendes, sehr leidenschaftliches „tape“ (so nennt Beth selber ihre Videoproduktionen), ein experimentales Video, bei dem nicht die Form vom Inhalt ablenkt, ein manchmal schwer zu ertragendes Dokument des selbstzerstörerischen Verhaltens, das letzlich aber doch „von Genesung und Hoffnung berichtet“.

Beth. B.s letzter Spielfilm „Salvation“ spielt noch bis Mittwoch um 23.00 Uhr in der Schauburg und handelt von einem Fernsehprediger und seiner ausgeflippten Gefolgschaft. Die Regisseurin ist selbst nicht zufrieden mit dem Resultat. „Nach dem Film war ich so frustriert, daß ich erst einmal für eine längere Zeit diese experimentellen Videos gemacht habe. Solch ein Spielfilm ist ein riesiges Investment an Zeit und Geld, ich habe 4 Jahre daran gearbeitet, und es schadete dem Film sehr, daß wir so wenig Geld hatten. Wir mußten aus Geldmangel mitten im Film aufhören, und zuletzt konnten wir nicht einmal so zu Ende erzählen, wie es im Drehbuch stand.“ Dafür ist „Salvation“ dann doch gar nicht so schlecht. Vor allen Dingen der Telepriester ist eine völlig überdrehte und sehr komische Figur, aber länger in der Erinnerung bleiben die „Talking Heads“ aus „Stigmata“. Wilfried Hippen