Weichholzaue statt hoher Schlote

■ BUND präsentiert seine Ideen zur naturnahen Umgestaltung der Luneplate

Bremerhavens ehemaliger Altvorderer Werner Lenz träumte von der Daimler-Teststrecke an dieser Stelle. Andere wünschten sich dort große Fabrikanlagen der chemischen Industrie. Doch jetzt, nachdem die rot-grüne Landesregierung in Hannover und die Ampel in Bremen die Weichen in eine andere Richtung gestellt haben, scheint die Zukunft der Luneplate etwas ganz anderes zu bescheren: Ein Naturschutzgebiet, so hofft es jedenfalls der Bund für Umwelt und Naturschutz. Gestern präsentierten die Umweltschützer, wie das riesige Gelände naturnah umgestaltet werden kann.

Zwei Vorüberlegungen hatte der BUND zu berücksichtigen. Zum einen werden Höhe und Häufigkeit von Sturmfluten nach Ansicht von Experten künftig stark ansteigen. Zum anderen hat sich die Landschaft am Fluß in den letzten 100 Jahren dramatisch verändert. Wie also die Sicherheit für die Menschen erhöhen und gleichzeitig naturnahe Strukturen wiederherstellen? „Bei einer Deichrückverlegung könnte neuer Flutraum gewonnen und seltenen Arten neue Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden“, meint BUNDler Martin Rohde.

Um diese Vorstellungen zu realisieren, müßte rund ein Kilometer hinter dem Deich eine neue Schutzanlage gebaut werden. Im Anschluß daran könnte der bisherige Deich umgestaltet werden, damit die Luneplate bei Hochwasser überschwemmt würde. In dem dann feuchten Luneplate- Gebiet könnte ein Gewässersystem aufgebaut werden, das Gewähr für eine weitgehend natürliche Entwicklung der Landschaft böte. Für Landwirtschaft bliebe dann kein Platz mehr. Statt dessen entstünde „ein weitgehend verschwundenes, unbekanntes Paradies“, wie Naturschützer eine solche Flußaue nennen. Ein Paradies mit Weichholzauewäldern, wie es sie sonst nur noch an der Elbe zu bewundern gibt, mit Flachgewässern, Prilen, Watten und ausgedehnten Brachwasser- Röhricht-Feldern.

Diese Vorstellungen möchte der BUND von Anfang an in den anstehenden Planungsprozeß einbringen. Denn das Riesenindustriegebiet ist nach der jetzigen Beschlußlage endgültig vom Tisch. Allenfalls 200 Hektar sollen noch für Gewerbe und Industrie genutzt werden. Über den Rest der Fläche müssen sich die Regierungen in Hannover und Bremen Gedanken machen. Das Verwaltungsabkommen zwischen beiden Ländern, in dem die Industrialisierungspläne festgeschrieben sind, muß geändert werden. Und in einem Raumordnungsverfahren müssen die Weichen für die künftige Nutzung gestellt werden. Und dabei, so befürchtet der BUND, könnte dann eine intensive landwirtschaftliche Nutzung statt eines Naturschutzgebietes herauskommen.

Auch über die Kosten für die Renaturierung der Luneplate hat sich der BUND Gedanken gemacht. „30 Millionen Mark sowie eine große Portion guten Willens und Phantasie der Politiker und Verwaltungsvertreter“, haben die Naturschützer als Preis errechnet. Den weitaus größten Teil des Geldes würde die Deichverlegung schlucken: 20 Millionen Mark, so eine erste Schätzung — die allerdings, so die Naturschützer, aus dem Topf für Küstenschutzmaßnahmen bezahlt werden könnten. Und der besteht aus Bundesgeldern. Fazit von Martin Rohde: „Wenn man die großen Verluste an Natur ansatzweise rückgängig machen kann, sind 30 Millionen gar nicht soviel.“ Und in Relation zu den bisher aufgelaufenen Kosten schon gar nicht: Allein 140 Millionen Mark sind in die Verlegung der Lune und andere Erschließungsmaßnahmen geflossen. hbk