Schlachtfest im TV

■ „Die heilige Kuh“, heute, 22.45 Uhr, West3

Wenn sich ein Programmbeitrag des Fernsehens Die heilige Kuh nennt, dann erwartet man, daß selbige vom Sockel geholt wird. Entsprechend ist das Konzept der seit Mai 1989 zehnmal pro Jahr auf West3 ausgestrahlten Reihe. Nicht Überblicke sollen gegeben, sondern Aspekte eines Themas dargestellt werden. Unausgewogenheit und Verunsicherung der Zuschauer sind beabsichtigt, wenn alltäglich Gewordenes nach dem Sinn für die heutige Zeit hinterfragt wird.

Daß sich Die heilige Kuh als Stolperstein in der öffentlich-rechtlichen Information versteht, machen schon die provokanten Themen deutlich: „Lust auf Krieg!“, „Weg mit den Alten!“, „Der Mann, das Maß aller Dinge!“ Dabei verzichtet Die heilige Kuh auf Zeigefinger-Kommentare und vorgefertigte Meinungsbilder.

Auch heute wird die Sendung wieder mit ihrem erfrischend satirischen Vorspann beginnen: Monströs, erhaben und patinabedeckt steht das Viech auf seinem Sockel. Klein dagegen ist der hinzukommende Trickfilm-Mann, der schelmisch lacht, bevor er beherzt gegen den Sockel tritt. Wenn daraufhin das Rind filetweise auseinanderbricht, nimmt der Schelm erschrocken Reißaus.

Das heutige Thema ist passend zur Vorweihnachtszeit gewählt: „Spenden — nein danke!“ Gerade in jüngerer Zeit ist das inflationäre Aufkommen von Spendenaktionen zwischen privatem Ablaßhandel und gigantischen Großprojekten immer wieder ein Medienthema, im Brennpunkt ebenso wie auf dem Boulevard Bio.

Was steckt hinter der Zeitgeisterscheinung Spendenengagement, wenn nicht Selbstlosigkeit, fragt Die heilige Kuh. Die Antworten sind aufschlußreich. Wenn die katholische „Adveniat“ für die Armen in der sogenannten Dritten Welt sammelt, dann sind damit die armen Priester gemeint. Wenn Wirtschaftsunternehmen in großem Umfang spenden, dann erbringt das Steuervorteile, die mit so manchem Geschäftsabschluß konkurrieren können.

Daß Spendenaktionen längst unter marktwirtschaftlichen Aspekten durchgeführt werden, zeigt eine Werbekampagne der Kindernothilfe Duisburg. Wir erfahren: soll Geld für behinderte Kinder herangeschafft werden, darf man auf gar keinen Fall eben solche auf den Plakaten abbilden. Das zieht nicht. Nett und adrett müssen die Kinder aussehen, aus großen Augen in die Welt blicken und möglichst auch noch lachen.

Außerdem präsentiert Die heilige Kuh zum Thema Spendenmania auch ein Psychogramm des „Spenders an sich“. Ob es den überhaupt geben kann, wird die Sendung zeigen. Willkommen beim Schlachtfest. Achim Becker