Tauziehen um den Industrieriesen Skoda

■ Während Siemens im Rennen vorne liegt, fürchtet die Belegschaft das Aus im internationalen Wettbewerb

Prag (taz) — Heinrich von Pierer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Siemens-AG, wiegelte ab. Sein Konzern, so verkündete Pierer in der tschechischen Hauptstadt, wolle die Skoda-Werken nicht vom Weltmarkt verdrängen, sondern ihnen zu „neuer Blüte“ verhelfen. Eine Gruppe von Skoda-Fachleuten hatte befürchtet, mit dem Mitte November ins Leben gerufene Joint-venture „Skoda Energo“ wolle der Münchner Elektonikriese ein Stück tschechischer Industrie aus dem internationalen Wettbewerb verschwinden lassen.

In einem Brief an die Prager Regierung stellte die Gruppe fest, daß das Gemeinschaftsunternehmen als Teil des Siemens-Konzerns definiert sei und deshalb nicht als CSFR- Vertreter auftreten werde. Sie forderten die Regierung auf, vor der endgültigen Genehmigung des Joint- ventures ein von ihr erarbeitetes „Konkurrenzprojekt“ zu überprüfen.

Dieses Projekt würde den Charakter des Gemeinschaftsunternehmens entscheidend verändern. Während nach den bisherigen Verträgen Siemens und sein französischer Partner „Framatome“ zwei Drittel der Aktien erhalten sollen, möchten die Skoda-Mitarbeiter die ausländische Beteiligung auf 33Prozent begrenzen. Kritisiert wird, daß der Skoda- Konzern die „Rosinen“, den Energie- und Transportbereich, an ausländische Unternehmen verkaufe, die weniger zukunftsträchtigen Bereiche wie Hütten- und Schmiedewerke dagegen in tschechoslowakischem Besitz bleiben würden. Immer eindringlicher gewarnt wird daneben vor einer Dominanz der deutschen Industrie in der CSFR. Statt dessen solle eine verstärkte Zusammenarbeit mit amerikanischen und anderen westeuropäischen Unternehmen angestrebt werden.

Tatsächlich könnte die deutsche Industrie nach der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens zwischen den Automobilwerken Skoda und Volkswagen mit dem geplanten Joint-venture ein weiterer großer Erfolg gelungen sein. Nachdem Konkurrenten wie der US-amerikanische Konzern Westinghouse oder das schwedisch-schweizerische Unternehmen Asea Brown Boveri aus dem „Feld geschlagen“ wurden, eröffnet sich Siemens ein zukunftsträchtiger mittel- und osteuropäischer Energiemarkt.

Der Sicherheitsstandard der Atomkraftwerke soll ebenso wie der damit verbundene Service verbessert werden; mit Entschwefelungs- und Müllverbrennungsanlagen wird eine Zusammenarbeit in der Umwelttechnologie angestrebt.

Über den konkreten Inhalt des Vertrags will sich Siemens-Vorständler Pierer vorläufig jedoch nicht äußern. Die Summe der geplanten Investitionen müßte „in Milliarden Kronen“ gerechnet werden, Siemens übernehme einen beträchtlichen Teil der Schulden Skodas. Sehr vorsichtig äußerte er sich auch über die Zahl der Angestellten: Man sei zuversichtlich, daß angesichts des derzeitigen Auftragsbestandes in den nächsten zwei Jahren der „größte Teil der Mitarbeiter weiterhin beschäftigt werden könne“. Dazu sei jedoch nicht zuletzt eine schnelle Entscheidung der tschechischen Regierung notwendig.

Diese dürfte sich den Forderungen des deutschen Konzerns kaum entziehen. Nach den bisherigen Stellungnahmen ist davon auszugehen, daß sie bereits in dieser Woche — und damit noch vor der für die Vorlage von Konkurrenzprojekten gesetzmäßig vorgesehenen Frist — der tschechisch-deutsch-französischen Zusammenarbeit ihr „Placet“ erteilen wird. Sabine Herre