PORTRÄT
: Mit der Quote ins Schatzmeisterinnenamt

■ Mit der Wahl von Inge Wettig-Danielmeier hat SPD-Chef Engholm bei den sozialdemokratischen Frauen Abbitte geleistet

Bonn (taz) — „Das Kriterium Mann war offensichtlich wichtiger als die Qualifikation“, stellte die neue Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig- Danielmeier, vor einem Monat in einem taz-Interview verbittert fest, als die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sich wieder einmal für einen Mann an der Spitze entschied: für Hans-Ulrich Klose statt der zunächst favorisierten Herta Däubler-Gmelin. „Diesmal war es offenbar umgekehrt“, flachste ein Mitarbeiter der Bonner Baracke gestern, nachdem der SPD-Vorstand die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen zur Schatzmeisterin der Partei gewählt war. Denn mit Finanzgeschäften hat die 55jährige SPD-Politikerin bislang nichts zu tun gehabt. Aber ganz offensichtlich handelt es sich bei ihrer Wahl um eine Wiedergutmachung des SPD- Vorsitzenden Björn Engholm an die düpierten SPD-Frauen. Überzeugend war das Votum für die AsF-Vorsitzende nicht. Nur 18 von über 50 sozialdemokratischen Vorstandsmitglieder haben ihre Stimme für sie abgegeben. Acht waren gegen sie. Mehr als die Hälfte der Vorständler demonstrierte ihr Desinteresse durch Abwesenheit. Aber auch auf dieser Sitzung wurde sie ihrem Ruf gerecht: zäh, hartnäckig auf einmal für richtig erkannten Positionen beharrend, konnte sie den ihr von der Parteiführung zugedachten Aufpasser abschütteln. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Rudolf Scharping sollte ihr gewissermaßen zur Sicherheit an die Seite gestellt werden, um sich vor allem um die sozialdemokratischen Verlage und Druckereien zu kümmern. Man kann sich leicht vorstellen, daß die feministische Schatzmeisterin dies als typische Männer-Arroganz gebrandmarkt hat: als wenn frau nicht in der Lage wäre, diesen Job ganz zu machen. Nun darf Scharping sie ganz informell beraten. Zu sagen hat er nichts. Inge Wettig-Danielmeier, Mutter von drei Kindern, hat zeit ihres Lebens hart gearbeitet, als Stenotypistin und Haushaltshilfe, später als Dolmetscherin für Englisch und Spanisch. Bei IBM absolvierte sie eine kaufmännische Ausbildung. Auf dem zweiten Bildungsweg machte sie 1960 Abitur. Studiert hat sie in Wilhelmshaven, Göttingen und Yellow Springs (Ohio). Seit 22 Jahren ist sie Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, 1972 zog sie in den niedersächsischen Landtag ein. Sie hat sich immer zur Linken innerhalb der SPD gezählt, sich zäh und stetig innerhalb der Partei hochgearbeitet. Bei den zahlreichen sehr männlichen SPD-Männern gilt sie als „nervig“, denn sie hat sich in der Partei schon für Frauenpolitik engagiert, als andere in der SPD noch gar nicht begriffen hatten, daß hier ein Problem liegen könnte. Seit 1988 ist sie Mitglied des SPD-Präsidiums und seit dem letzten Jahr auch Bundestagsabgeordnete. Seit 1981 ist sie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF). Einer ihrer größten innerparteilichen Erfolge war der Quotenbeschluß, wonach bis 1994 mindestens 40 Prozent aller Parteiämter und Mandate von Frauen besetzt werden sollen. Die Quote, sagte sie seinerzeit zur taz, sei „immer noch die unerläßliche Krücke der Gleichstellung“. Nun ist sie selbst auf dieser Krücke in ihr neues Amt gelangt. Martin Kempe