Wessis, Ossis, Ausländer

■ Aktionstag zu Konflikten zwischen Ost- und Westschulen

Kreuzberg. Das Zusammenwachsen der Stadt löst auch in den Schulen Konflikte aus. Im August dieses Jahres sind sämtliche Oberschulenzentren im Ost- und Westteil der Stadt zusammengelegt worden, ohne daß die ehemaligen West- und Ostschüler darauf vorbereitet wurden. »Ossis, Wessis, Türken — Wer sind denn nun die Ausländer?« das fragten sich die Lehrlinge des multikulturellen Ausbildungszentrums, die gestern einen Aktionstag gegen Fremdenfeindlichkeit durchführten. Das Westberliner Oberschulenzentrum für Textil und Bekleidung, das bis August als eigene Ausbildungsstätte fungiert hatte, steht durch den Zusammenschluß mit der ehemaligen Filiale, der Käthe-Niederkirchner-Schule aus dem Ostteil Berlins, vor einem ganz neuen Problem.

»Die Schüler aus dem Ostteil der Stadt«, sagte die Berufsschullehrerin Cordula Schön gestern im Schulzentrum in der Kochstraße, »befinden sich durch die Vermischung in einer Situation, die sie offensichtlich überfordert.« Vor allem sollen die Eltern der Ansicht sein, daß »Ausländer« die Schulen überschwemmen würden. Auf dem gestrigen Aktionstag sagten die Schüler aus dem Ostteil dagegen, daß sie nicht akzeptiert und »wie Fremde« behandelt würden, weil sie in der ehemaligen DDR unter ganz anderen Verhältnissen aufgewachsen seien. »Man wirft uns immer Ausländerhaß vor«, erzählt ein Schüler aus einer Schuhmacherklasse, »dabei haben die meisten von uns gar nichts gegen Ausländer. Die ‘Wessis‚ haben doch gar keine Ahnung von uns.«

Eine türkische Schülerin berichtete, sie habe vor den Ostschülern soviel Angst, daß sie sich nur von ihren Eltern oder Lehrern mit dem Auto in die »Filiale« in die Warschauer Straße fahren läßt. Vorurteile oder berechtigte Ängste gegenüber den Mitschülern aus den neuen Bundesländern? Das konnte gestern kein Schüler beantworten. Der Aktionstag solle gerade deshalb zum Nachdenken über Rassismus und »Fremdheit« anregen. Ulrike Wojcieszak