Berliner Tunnel in Bonn unbeliebt

■ Bundesinnenminister Seiters warnt vor »Massierung von Tunnelbauten im Spreebogen«/ Interner Brief an Diepgen überrascht Berliner Fraktionen

Berlin. Der Wunsch nach einem Autotunnel unter dem Tiergarten ist offenbar nicht, wie vom Senat behauptet, offizielle Regierungsmeinung in Bonn. Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) hat jetzt in einem internen Brief an den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen deutliche Skepsis gegenüber den Tunnelplänen durchblicken lassen. In dem Schreiben vom 12. Dezember, das der taz jetzt im Wortlaut bekannt wurde, heißt es: »Da dieses Verkehrskonzept (für das künftige Berliner Regierungsviertel, d. Red.) unter Umständen zu einer Massierung von Tunnelbauten im Spreebogenbereich führen könnte, wäre ich Ihnen dabei dankbar, wenn sie Alternativen berücksichtigen könnten, die eine Verzögerung der für den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung vorgesehenen Neubauprojekte im Spreebogen beziehungsweise eine wesentliche Nutzungseinschränkung der Neubauten ausschließen.«

Der Brief von Seiters, der der Hauptverantwortliche für den Regierungsumzug nach Berlin ist, lasse deutliche Distanz gegenüber den Tunnelplänen erkennen, wurde gestern in Bonn betont. Hintergrund des Schreibens ist offenbar die Tatsache, daß der Senat im Spreebogen gleich mehrere Tunnelbauwerke plant. Da neben dem Autotunnel auch Röhren für Eisenbahn und U-Bahn entstehen sollen, muß vor allem der Platz der Republik und seine Umgebung an mehreren Stellen umgegraben werden.

Auch das Bundesverkehrsministerium läßt vorerst offen, so Sprecherin Gabriele Grimm, ob es den Autotunnel »gutheißen« könne. Mangels Details könne man das Projekt »noch nicht bewerten« und deshalb auch keine Aussage machen, ob die Bundesregierung die Kosten tragen werde. Nach Grimms Angaben werden die regulären Bonner Mittel, die nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz verteilt werden, nicht für alle Verkehrsbauten in Bonn und Berlin ausreichen, die im Zusammenhang mit den Hauptstadtplänen vorgesehen sind.

Die Fraktionschefs von CDU und SPD, Landowsky und Staffelt, zeigten sich über den Seiters-Brief gestern überrascht. Vize-Senatssprecher Heußen meinte, Berlin werde »Vorschläge machen«, wie die von Seiters angedeuteten Probleme gelöst werden könnten.

Unterdessen akzeptierte gestern auch die SPD-Fraktion mit Mehrheit den Kompromiß im Tunnelstreit, den Landowsky und Staffelt ausgehandelt hatten. Der Autotunnel soll danach sein südliches Ende mit Ein- und Ausfahrt unmittelbar östlich der Staatsbibliothek haben, jedoch am Kemperplatz mit zusätzlichen Ein- und Ausfahrten versehen werden. Es werde nicht, wie von einem SPD- Sprecher am Montag behauptet, getrennte Ein- und Ausfahrten geben, sagte Landowsky. »Die Kuh ist vom Eis«, so der Fraktionschef, »der lange Regierungstunnel ist beschlossen.« hmt