Prima Klimaveränderung in Irland

Dublin (taz) — Irland im Jahr 2030: Die grüne Insel, bekannt für ihre trockenen, heißen Sommer, ist inzwischen viertgrößter Weinexporteur Europas.

Am Fuß der Weinberge im Süden Irlands ziehen sich ausgedehnte Mais-, Flachs- und Sonnenblumenfelder hin. Der Import von Südfrüchten und exotischem Gemüse ist deutlich zurückgegangen — Irland ist praktisch Selbstversorger. Die Hotelkomplexe entlang der Strände an der Westküste sind von Mai bis September mit sonnenhungrigen Touristen aus dem Ausland belegt. Dichte Wälder im Hinterland laden zu Wanderungen ein.

Dieses optimistische Bild zeichnen Meteorologen, Zoologen, Umweltbiologen sowie Experten für Land- und Forstwirtschaft in einem gemeinsamen Bericht, der am vergangenen Wochenende veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler gehen davon aus, daß die durchschnittliche Temperatur in Nordeuropa in den nächsten 40 Jahren um zwei Grad steigen wird. Die Niederschlagsmenge wird im Winter bis zu zehn Prozent zunehmen, im Sommer jedoch um ebensoviel zurückgehen. Die irische Landwirtschaft wird laut Expertenteam überdurchschnittlich von den klimatischen Veränderungen profitieren, da die Produktionskosten beträchtlich sinken werden: Durch die Verlängerung der Saison können viele Viehweiden in Ackerland umgewandelt werden. Darüber hinaus gehören die teuren Nitrogen- Düngemittel dann der Vergangenheit an. Natürlich gibt es auch ein paar Nachteile. Weite Teile Dublins und der tiefer liegenden Landesteile werden in den Fluten versinken, da der Meerespiegel um circa 18 Zentimeter steigen wird. Davon sind 2,5 Prozent der Landesfläche betroffen — besonders die Küstenstreifen im industrialisierten Osten, an denen immerhin 1,16 Millionen Menschen leben. Auch die berühmten Torfmoore werden leiden, wenn der Regen im Sommer ausbleibt.

Insgesamt, so glauben die Wissenschaftler, überwiegen jedoch die Vorteile — falls sich die irischen Bauern dazu durchringen, neue Produkte anzubauen, statt einfach nur die Kartoffelernte ins Unermeßliche zu steigern. Wer also den schon von Heinrich Böll bewunderten weichen irischen Landregen erleben möchte, muß sich beeilen, bevor Irland zum Mallorca des Nordens wird. Ralf Sotscheck