: Tour d'Europe
■ Bonbon
James Baker beschwört „Faschismus und Anarchie“, Louis Ferdinand „kommunistischen Terror und Militärdiktatur“. Beide Herren meinen die Gefahren, die aus der Ex-UdSSR drohen, sofern sie mit ihren Problemen alleingelassen wird. Der US-Außenminister Baker tut es im Dienste seines Präsidenten, der Hohenzollernprinz für die 'Bild-Zeitung‘.
Der Prinz wird mit seinen Horrorszenarios vermutlich Millionen Mark für das zugrundegegangene Reich des Bösen mobilisieren, bei dem Außenminister könnte es sich sogar um Milliarden handeln. Beide Herren verhelfen zu gutem Gewissen. Darüber hinaus machen beide aus der wohltätigen Sache ein wirksames Vehikel für die Imagepflege ihrer Auftraggeber. Der eine soll ganz profan die Auflage steigern, der soll den innen- und außenpolitischen Führungsanspruch seiner Regierung bekräftigen.
„Helft Rußland“ wird in diesem Winter wieder zum Strohhalm für Millionen potentieller Hilfsempfänger im Osten. Im Westen hat „Helft Rußland“ jedoch noch eine zweite Bedeutung: „hilf dir selbst“. Erkannt hat das auch die US-Regierung, als sie Ende vergangener Woche zu einer „Internationalen Konferenz zur Koordinierung der Hilfe für die Sowjetunion“ im Januar nach Washington einlud. Zwar hat sich Washington bisher in Sachen Osteuropa nicht gerade mit Ruhm bekleckert — EG-Kommissionsmitglieder klagen darüber, daß die USA bei den koordinierten Hilfsbemühungen der vergangenen zwei Jahre eher Bremser waren. Doch nun meint die Bush-Administration offensichtlich, daß mit einer Kampagne innenpolitisches Terrain zurückgewonnen werden könnte.
Dennoch hat jemand Bush die Show gestohlen. Der französische Staatspräsident Mitterrand rief seinen amerikanischen Freund am Sonntag abend an, um ihm zu sagen, daß er dessen Initiative schlicht für „überflüssig“ hält. „Das muß nicht sein“, hat Mitterrand am Telefon gesagt, „das wird uns nur in Verzug bringen.“ Schließlich seien die Europäer viel näher dran am Geschehen und trügen „viel mehr“ zur Hilfe für die Sowjetunion bei, trumpfte Mitterrand auf.
Noch am selben Abend erfuhr das französische Fernsehpublikum von dem transatlantischen Konkurrenzkampf. Denkbar durchsichtig sind auch in Paris die Motive für das Rußland-Engagement. Dem angeschlagenen französischen Sozialisten stehen in drei Monaten Regionalwahlen ins Haus. Hinzu kommt, daß Mitterrand seit seinem Schweigen während der Moskauer Putschtage im August einiges auszubügeln hat.
Wenn zu derart vielen politischen Vorteilen noch hinzukommt, daß sich die Rußland- Hilfe daheim in klingende Münze verwandeln läßt, gibt es keinen Grund zum Geiz mehr. Politische Analytiker in den USA haben vorgerechnet, daß die amerikanische Kreditgarantie von 3,75 Milliarden Dollar für sowjetische Einkäufe bei der US-Landwirtschaft selbst dann noch lohnt, wenn die Russen keinen einzigen Cent ihrer Schulden zurückzahlen sollten. „Im schlimmsten Fall ist das eine Umschichtung“, sagt ein Experte. Denn für jede 100 Millionen Dollar Kredit sinken die Subventionen für die amerikanische Landwirtschaft um exakt denselben Betrag. Mitterrand, der neulich schon eine halbe Million wütender Bauern in Paris hatte, könnte so ein Bonbon auch gut brauchen. dora
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