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Vom Spagat zwischen Anspruch und Quote

■ Das ZDF stellte sein Fernsehspiel-Konzept für das nächste Jahr vor

Die Frage, wie lange sich die Öffentlich-rechtlichen noch aufwendige 90minütige Fernsehspiele und -filme leisten wollen und können, bewegt die Gemüter spätestens, seitdem die private Konkurrenz mit Billig-Importen und Endlos-Serien beachtliche Einschaltquoten verbuchen kann. Heinz Ungureit, Leiter der Hauptredaktion Fernsehspiel und Film beim ZDF, wies jedoch in der vergangenen Woche jeden Verdacht, die Mainzer könnten bei ihren kostenintensiven Eigenproduktionen künftig den Rotstift ansetzen, weit von sich. In der festen Überzeugung, daß diese originäre Kunstform des Mediums keineswegs tot sei, prophezeite er dem Fernsehspiel „eine große Zukunft“.

Wenn Ungureit zum 1. Januar nach 15 Jahren aus dem Amt scheidet, um sich künftig verstärkt der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Sendern zu widmen, wird er dies mit dem beruhigenden Gefühl tun, diese Zukunft zumindest für 1992 erst einmal gesichert zu haben. Neben dem wöchtlichen Fernsehspiel-Termin am Montag um 19.20 Uhr werde auch am Sonntagabend eine Reihe von (mehr oder minder) „anspruchsvollen“ Produktionen aus eigenem Hause über den Bildschirm flimmern.

Nimmt man noch die 40 Termine des Kleinen Fernsehspiels am Dienstag (zu nachtschlafener Minoritäten- Zeit um 23 Uhr) dazu, sind das immerhin knapp 130 Sendungen. Von den 140 Millionen DM, die das ZDF für diesen Programmbereich im Kommenden locker macht, gilt es allerdings schon 40 Millionen für die Freitags-Krimis (Derrick, Der Alte) und noch einmal ein Erkleckliches für „Altenheim-Feger“ wie Diese Drombuschs oder einen neuen Sechsteiler mit Senta Berger (Lilli Lottofee) abzuzweigen.

Doch Hans Janke, der im Januar vom Stellvertreter zum Redaktionsleiter aufrücken wird, zeigte sich mehr als zuversichtlich, daß mit der Restsumme das „Unikat Fernsehfilm noch deutlicher ins Bewußtsein der Zuschauer zu bringen“ sei. Der ehemalige Leiter des Adolf-Grimme-Instituts gelobte nicht nur, die Arbeit seines Vorgängers kontinuierlich fortzuführen, sondern malte — ganz in dessen Sinne — die Zukunft des Fernsehspiels auch unter den drastisch verschärften Konkurrenzbedingungen in den rosigsten Farben.

Interessante Geschichten und profilierte Nachwuchs-Autoren und -Regisseure sollen gewährleisten, daß diese Form der Unterhaltung „im Profil des ZDF-Programms eine gelegentlich scharfe Zacke“ bildet. Allzu „scharf“ wird sie freilich kaum (oder doch nur höchst „gelegentlich“) ausfallen, da Janke auf der anderen Seite keinesfalls ein „Nischenprogramm“ verantworten will. Wie oft dieser Spagat zwischen „Anspruch“ und Quote gelingen kann, bleibt freilich abzuwarten. Ab Januar läßt sich diese redaktionelle Turnübung jedenfalls wieder regelmäßig im ZDF verfolgen. Reinhard Lüke

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