Tatsachen auf den Kopf gestellt

■ betr.: "Der Linken hat es die Sprache verschlagen", taz vom 9.12.91

betr.: „Der Linken hat es die Sprache verschlagen“, taz vom 9.12.91

Während die besprochenen Bücher (die ich nicht gelesen habe) allem Anschein nach eine mehrfache persönliche Betroffenheit widerspiegeln, kann ich in Ulrich Hausmanns Artikel nicht viel mehr erkennen als die altbekannte intellektuelle Arroganz eines frustrierten Ex-Aktivisten, der seinen Rückzug in den wärmenden Schoß des Machtzentrums mit einer Abqualifizierung all derer deckt, die ihn zu sehr an seine Vergangenheit erinnern.

Hinter einer ebenso verschlungenen wie windigen Argumentation verbirgt Hausmann die Banalität seiner Aussage: Kriegsgegner sind entweder naiv oder, viel wahrscheinlicher, Antisemiten.

Indem er in dem (tendenziell viel eher selbstsüchtigen) Widerstand gegen die Pershing-Nachrüstung noch ein heroisches Auflehnen gegen den Militarismus sieht, der Anti-Golfkriegs-Kampagne aber solche Motive nicht mehr zugestehen will, stellt Hausmann die Tatsachen schlicht auf den Kopf. Wie wäre es mit der Gegenthese, daß sich die moralische Qualität der Friedensbewegung gerade hier erwiesen hat, wo keine direkte Gefahr für das eigene Häuschen bestand? Wie es scheint, gehört auch Hausmann zu den Leuten, die damals schon sowjetische Raketen auf sich herabstürzen sahen, heute aber mit dem Abschlachten Hunderttausender irakischer Soldaten gut leben können, wenn dadurch nur bewiesen wird, daß man auf der Seite Israels steht.

Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Natürlich hat Israel ein Existenzrecht mit allem, was dazugehört; außerdem bin ich mir ziemlich sicher, kein verkappter Rassist zu sein.

Aber wie kommt Hausmann eigentlich zu seinen Thesen? Hat der linke demonstrierende Pöbel Saddam Hussein hochgerüstet, oder freut er sich klammheimlich über die Lieferung von Massenvernichtungs- Know-how an die arabische Welt? Vielleicht sollte Hausmann einmal der Frage nachgehen, warum sich gerade die Kreise, die genau das getan haben, und jene, die sich noch für jeden Krieg erwärmen konnten, alle in einer Partei zusammenfinden.

Bleibt die interessante Frage, um die es Hausmann unausgesprochen zu gehen scheint: ob es überhaupt Rechtfertigungen für die Teilnahme an einem Krieg gibt. Peinlich, daß er gerade diesen (über dessen Vorgeschichte ich mich hier wohl nicht auslassen muß) wählen mußte, um die Frage endlich für sich mit ja beantworten zu können. Aber vielleicht hat er seine besten Jahre schon hinter sich, und es wird höchste Zeit, sich noch einmal als Mann zu beweisen, der mit dem Kugelschreiber in der Hand zu sterben bereit ist. Sven Georg, Marburg