Frischer Wind im Großherzogtum

■ Gutgelaunt sehen Luxemburgs Kicker dem heutigen EM-Qualifikationsspiel gegen die Deutschen entgegen/ Popularitätsschub des großherzogtümlichen Fußballs nach guten Ergebnissen

Luxemburg (taz) — Fußball verkehrt im Großherzogtum. Seit beinahe 20 Jahren sieglos, mit 0:10 Punkten Tabellenletzter in der EM- Qualifikation — und dennoch ist bei Luxemburgs Nationalkickern vor dem Spiel gegen Deutschland in Leverkusen die Stimmungslage so gut wie schon seit Jahren nicht mehr. Der Grund: die ausnahmslos guten Auftritte der „Letzebuerger“ bei den bisherigen Qualifikationsspielen.

„Natürlich hatten wir uns den einen oder anderen Punkt erhofft“, gibt Luxemburgs Nationalcoach Paul Philipp unumwunden zu. Enttäuscht ist er aber keineswegs: „Viel wichtiger als die Punkte war es für uns, über die gesamte Qualifikationsrunde eine gute Leistung zu bringen.“ Tatsächlich, die Ergebnisse der „Letzebuerger“ in den letzten Monaten können sich sehen lassen. In einem Freundschaftsspiel wurde Portugal ein 1:1 abgetrotzt. Nur knapp mußten sich die „Fußballzwerge“ gegen Wales und Belgien geschlagen geben. Vor allem der Auftritt gegen die Weltmeister aus Deutschland im vergangenen Jahr gestaltete sich für Luxemburgs leidgeprüfte Fußballgemeinde zu einem unvergeßlichen Freudenfest: Nach dem 2:3 prasselte auf die großherzogtümlichen Balltreter auch von der sonst sehr zurückhaltenden Presse des Landes ungewohntes Lob. „Jongen dir wart einfach super!“ titelte begeistert das 'Tageblatt‘. Luxemburgs Staatsminister Jacques Santer erklärte die Elf flugs zum „Vize- Weltmeister“, und auch Mannschaftskapitän Carlo Weiss war nach den unerwarteten Torerfolgen gegen das deutsche Abwehrbollwerk zum Scherzen aufgelegt: „Wenn Deutschland das beste Mittelfeld der Welt hat, dann haben wir das zweitbeste.“ Bei so viel Begeisterung ließ sich auch der nationale Fußballverband FLF nicht lumpen und zahlte seinen Spielern trotz der Niederlage die Prämie für ein Unentschieden: 400 Mark pro Mann. Während sich bislang kaum ein Luxemburger mit den „ewigen Verlierern“ identifizieren mochte, sorgten die überzeugenden Spiele der EM-Qualifikation im beschaulichen Großherzogtum für ein überraschendes Fußballfieber. Dreimal spielte die National-Equipe vor ausverkauftem Haus. Zum Auswärtsspiel in Brüssel begleiteten 4.000 Fans (fast zwei Prozent der Bevölkerung) die „roten Löwen“. Sponsorengelder, die bisher nur spärlich flossen, sprudeln inzwischen reichlich. Dank der positiven Resultate fand auch Trainer Philipp mit seiner jahrelangen Forderung nach einer „Halbprofessionalisierung“ des luxemburgischen Fußballs endlich Gehör: Ab 1992 soll das Umfeld für den A-Kader erheblich verbessert werden.

Den Luxemburger Freizeitkickern — bis auf drei Profis alles lupenreine Amateure — wurde ihr Sporturlaub von zwölf auf 25 Tage erhöht. Trainierte die Nationalelf bisher nur jeden Mittwoch abend, kann Coach Philipp seine Mannen in Zukunft zweimal pro Woche um sich scharen. Vor jedem Qualifikationsspiel bezieht der Nationalkader ein zehntägiges Trainingslager. Der frische Wind in Luxemburgs Fußballwelt bedeutet für den temperamentvollen Coach einen erheblichen Fortschritt: „Die Spieler können sich jetzt ganz auf den Fußball konzentrieren.“

„Wunderdinge kann man jetzt von uns allerdings nicht erwarten“, warnt Philipp vor allzu großer Euphorie der Fans: „Wir haben noch dieselben Spieler und werden auch nie eine Fußballgroßmacht werden.“ Gegen Deutschland wagt Philipp denn auch an einen Punktgewinn nicht zu denken: „Das wäre vermessen und überheblich.“ Ziel sei es, die Leistungen der letzten Monate zu bestätigen. „Die Deutschen wollen in Leverkusen ein Fußballfest veranstalten, und wir wollen versuchen, sie dabei ein bißchen zu stören.“

Viele Luxemburger werden den Bemühungen ihrer Elf in Leverkusen allerdings nicht beiwohnen. Die Ausschreitungen deutscher Hooligans in Luxemburg und Brüssel haben die meisten Fans von einer Reise nach Deutschland abgeschreckt. Von den 2.800 angeforderten Karten konnte die FLF nicht einmal die Hälfte absetzen. „Die Leuten haben einfach Angst“, erklärt FLF- Schatzmeister Schummer den schleppenden Vorverkauf. Thomas Roser