Kompromiß mit faulem Geruch

■ EG-Außenminister einigten sich in der Frage der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens

Kompromiß mit faulem Geruch EG-Außenminister einigten sich in der Frage der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens

Noch am Montag abend schien die Frage einer diplomatischen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens die Europäische Gemeinschaft zu spalten. Doch in der Nacht wurde ein Kompromiß erzielt, den nun die prononciertesten Verfechter der konträren Positionen, Genscher und sein britischer Amtskollege Douglas Hurd, als Erfolg ausweisen. Das ist zumindest verdächtig. Tatsächlich ist etwas faul am Kompromiß, der es nun allen Beteiligten ermöglichte, das Gesicht zu wahren.

Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Die in Brüssel versammelte Ministerrunde einigte sich darauf, die jugoslawischen Republiken anzuerkennen, sofern sie bestimmte Bedingungen erfüllen, und darauf, die „Ausführung dieser Entscheidung“ auf den 15. Januar aufzuschieben. Ob die Bedingungen erfüllt sind, soll eine Schiedskommission europäischer Verfassungsrichter „begutachten“. Außenminister Genscher hat schon öffentlich klar gestellt, daß ein negatives Votum der Schiedskommission die deutsche Regierung nicht binden könne. Am morgigen Donnerstag werde die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens im Kabinett beschlossen. Die Umsetzung dieser Entscheidung am 15.Januar, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, sei dann ein „automatischer Prozeß“. Anerkennung also, bevor die Richter ihr Urteil über die in Brüssel vereinbarten Voraussetzungen für diesen Schritt gesprochen haben.

Trotz des faulen Geruches ist die Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft zu begrüßen. Zunächst, weil der von Genscher für den Extremfall, daß die europäischen Partner nicht mitziehen, angedrohte deutsche Alleingang zumindest zum Schleichgang abgebremst ist und damit Zeit gewonnen wurde. Zeit für Verhandlungen, während derer die Zerstörung kroatischer Städte und Dörfer wohl weitergeht. Zu einer Entschärfung des Krieges hätte aber auch eine sofortige Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Kroatien kurzfristig nicht geführt. Im Gegenteil: Eine Ausweitung der militärischen Auseinandersetzungen auf Bosnien- Herzegowina, wo Moslems, Serben und Kroaten noch relativ friedlich zusammenleben, wäre wahrscheinlicher geworden. Deshalb auch der Appell des Präsidenten der explosionsgefährdeten Republik, die sich im übrigen auch unabhängig erklärt hat, auf eine schnelle Anerkennung zu verzichten.

Mit der Bereitschaft zur konditionierten Anerkennung aller Republiken, die das wünschen, ist eine diplomatische Äquidistanz zu den verfeindeten Parteien gewahrt. Politisch hat die Europäische Gemeinschaft mit der Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen allein gegen Serbien und Montenegro schon Position bezogen und klar gemacht, wen sie für den Aggressor im Konflikt hält. Die diplomatische Äquidistanz kann Verhandlungen nur erleichtern und zudem möglicherweise die serbische Front aufweichen. Der serbische Präsident Slobodan Milosević ist nicht nur jenseits der ex-jugoslawischen Grenzen weitgehend isoliert, sondern gerät auch in Serbien selbst zunehmend unter politischen Beschuß. Dies, die Fortsetzung der Friedenskonferenz und vor allem die rasch anwachsende Zahl von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren versprechen zur Zeit eher, die hoch gerüstete jugoslawische Armee zur Räson zu bringen, als ein militärischer Beistand für Kroatien, wie ihn hierzulande die Zeitung, hinter der angeblich immer ein kluger Kopf steckt, ziemlich unverblümt fordert. Thomas Schmid