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Letzte Zuflucht in Kims Monarchie

■ Erich Honecker würde in Nordkorea (KVDR) auf einen seelenverwandten Herrscher treffen/ Aber auch Kim Il Sungs Lebenswerk ist vom Einsturz bedroht

Repräsentative Alterssitze gibt es in Nordkorea genug für den unwürdigen Greis aus der DDR. Margot und er könnten übergangsweise in einem der neun Paläste unterkommen, die Kim Il Sung sich während seiner 46jährigen absoluten Monarchie hat errichten lassen.

Nach einem Umbau im Wandlitz- Stil könnte dann die Residenz Prinz Sihanouks bezogen werden, der nach Kambodscha verzogen ist, ohne seine Adresse zu hinterlassen. Aber vielleicht wünscht Erich doch ein bescheideneres Ambiente. Trotz gelegentlicher feudaler Allüren war sein Lebensstil nie mit dem seines Gastgebers, des Megalomanen (Größenwahnsinnigen) Kim vergleichbar.

Auf eigentümliche, spiegelverkehrte Weise waren in der Nachkriegszeit die Geschicke der DDR und Nordkoreas verbunden. Während die DDR nach einer anfänglich „nationalen“ Phase auf Eigenständigkeit und separater internationaler Anerkennung bestand, ist Nordkorea nie vom Wiedervereinigungspostulat, selbstverständlich unter seinen Bedingungen, abgegangen. Ebenso vergeblich wie die Bundesrepublik hat Nordkorea versucht, seine Hallstein-Doktrin zu praktizieren. Erst in diesem Jahr hat mit der Aufnahme beider Koreas in die UNO der Alleinvertretungsanspruch Nordkoreas (KVDR) einen tödlichen Schlag erhalten. Im Gegensatz zur DDR glaubte sich Nordkorea gegenüber der Republik Korea, die stets als schwaches Marionettenregime des USA-Imperialismus qualifiziert wurde, in einer Position der Stärke. Trotz entgegengesetzter Strategien bestanden zwischen den beiden „Vorposten des Sozialismus“ herzliche Beziehungen. Zwar wurde die ideologische Pendelei der KVDR zwischen der Sowjetunion und China ebenso kritisiert wie der exaltierte Nationalismus der koreanischen Genossen, die „Dschudsche“-Idee des Vertrauens auf die eigene Kraft. Aber der knochenhart praktizierten Doktrin von der führenden Rolle der Partei in allen Lebensbereichen, dem Primat der Planökonomie und der Politik unablässiger, opferreicher Kampagnen fühlte man sich in der SED-Führung seelenverwandt.

Die DDR unterstützte die KVDR bei der Verwirklichung ihrer maßlosen Industrialisierungsvorhaben. Im Gegensatz zur Sowjetunion und China war sie auch nicht im nennenswerten Umfang Leidtragende der koreanischen Schwierigkeiten, zu liefern und Kredite zurückzuzahlen. Freilich hielt sich die DDR, auch im Rahmen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), in den 80er Jahren mit Stützungsaktionen für die Wirtschaft Nordkoreas (KVDR) zurück. Den prunkvollen Empfängen bei den wechselseitigen Besuchen der Staatsoberhäupter entsprang kein brüderliches Hilfsprogramm. Heute teilt die KVDR mit der späten DDR ein wesentliches Strukturmerkmal: sie ist wirtschaftlich bankrott. Die kommandierte Ökonomie stellt mit einem Maschinenpark auf dem technischen Stand der 60er Jahre maßlos teure Produkte her. Das Energiedefizit zwingt zu ständigen Stromabschaltungen im produktiven Sektor. Die Landwirtschaft ist unterentwickelt, der Lebensstandard sinkt. Im Verhältnis zu Südkorea hat sich in allen wichtigen Bereichen eine Schere aufgetan, die dem Regime im Fall der friedlichen Wiedervereinigung nicht die geringste Überlebenschance ließe. Wie um das Maß der Katastrophe vollzumachen, fällt jetzt die Sowjetunion als ständiger Kredit- und Hilfegeber aus, China kann und will diese Last nicht übernehmen.

Einen entscheidenden Vorteil gegenüber der DDR Honeckers hat freilich die KVDR Kim Il Sungs. Sie hat es verstanden, ihre Bevölkerung hermetisch von sämtlichen Informationsquellen abzuschotten. Nur nordkoreanische Sender können empfangen werden, ausländische Zeitungen und Bücher sind nicht greifbar, der Umgang mit Fremden ist untersagt. Indirekt unterstützt auch das Regime in Südkorea mit seinem strikten Antikommunismus und mit seiner Abgrenzungspolitik gegenüber dem Norden die Machthaber in der KVDR. Nicht ohne Erfolg bei der eigenen Bevölkerung hat Kim Il Sung sich als Vater des Vaterlandes darstellen können. Kraft dieses Umstands kann die Familie Honecker vielleicht doch damit rechnen, ihre letzten Tage im sozialistischen Abendrot beschließen zu können. Christian Semler, Berlin

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