Kunst im Küchendunst

■ Jugendliche stellen ihre Sprüh-Werke in der taz-Kantine aus

Werden Graffiti zu Kunst, wenn sie auf Leinwänden anstatt auf Betonwänden prangen? Leinwände sind auf jeden Fall transportabel und leichter zu verkaufen, auch wenn die vielen Mauer-Stücke in diversen Museen und Firmen-Empfangshallen das Gegenteil zu beweisen suchen.

Die »Art Kids« sind sechzehn Jugendliche der südlichen Friedrichstadt in Kreuzberg 61. Eine Ecke, die sich groß das Zeitungsviertel nennt und bei der gerne übersehen wird, daß hier auch junge Menschen wohnen. Sie treffen sich in der »Gangway«, der »Wille« und im »Tommy- Weißbecker-Haus«, womit auch schon der Rahmen des Angebots beschrieben wäre: je eine bezirkliche, eine kirchliche und eine autonome Einrichtung. Und dann kommt auch noch ein mobiles Team der senatsfinanzierten Suchtprophylaxe-Arbeit angeflogen.

Eckhardt, Günther und Sabine, die drei mit 'ner Senatsstelle, brachten den deutsch-türkischen Kids mehr als einen Ersatz für die verlorengegangene Mauer. Mit dem Kinderbauernhof organisierten sie im Sommer eine Mauerstreifen-Aktionswoche — mit der abschließenden Erkenntnis, daß sich eine kulturpolitische Wüste nicht über Nacht in ein blühendes Paradies verwandeln läßt. Mit großer Unterstützung durch Jugendstadtrat Helmut Borchardt wurde versucht, von der BVG einen Bus oder einen U-Bahn-Wagen zwecks Bemalung loszueisen — erfolglos (Warum? Warum, BVG? d.Red.). Erfolgreicher verlief dagegen die Studienreise der Gruppe nach Amsterdam, frische Ideen kamen mit zurück, so auch der Name: Art Kids.

Sich in einer Ausstellung zu präsentieren, das war nun ein Wille — der aber so stark, daß das ein oder andere Bild vom Künstler kurz vor dem Abgabetermin in Fetzen gerissen wurde, weil es nicht gut genug schien. Andere waren da weniger pingelig und brachten ihre bonbonfarbenen Träume mit.

Die Vernissage am Montag lieferte der taz-Kantine ungewohnte Gäste ins Haus, das Besteck war schon gebunkert. Die Art Kids erschienen mit Anhang, und das nicht leise. Der Lärm verstummte kurz, als Stadtrat Burchardt sein Gefallen äußerte und ankündigte, die Ausstellung in sein Bezirksamt holen zu wollen. Im Gespräch war er dann zufrieden: das Projekt diene dazu, die Jugendlichen aus der Illegalitätszone herauszuholen, sie vom Geruch der »Schmierfinken« zu befreien.

Senol hat schon manches seiner Bilder verkauft. In letzter Zeit, nicht erst seit dem Tod von Mete Eksi, werden seine Bilder »politischer«, weil sich so vieles verändert. Sein »kaputter Mensch« erscheint nur noch als blaßblau dahingehauchter Umriß hinter den schwarzen Trümmerstücken seiner Drecksarbeit, die er zu tun hat. »Aber sein Herz, das hat er noch, er läßt sich nicht kleinkriegen«, sagt Senol und zeigt auf das knallrote Piktogramm eines Herzens in seinem Bild. Skech bleibt bei Schriften, hat aber die Möglichkeiten der Leinwand entdeckt: »Ich kann weiche Farben nehmen, auf Beton mußte es immer total bunt sein.« Moyn ist ganz weg von den Buchstaben, verwendet skizzierte Gesichter als Chiffren, sein Sprühdosenschwarz wirkt wie ein Tuschestrich auf einem Aquarell, auch er ist schon ein wenig »im Geschäft«.

Die Verkäufe sollen die nächste Reise der Gruppe nach London mitfinanzieren. Klar, ein paar »Stars« könnten sich aus den »Schmierfinken« wohl entwickeln, aber diesen Kandidaten ist die Gruppe wichtiger: »Wir sind die Art Kids, und wir zeigen den Leuten, daß wir nicht so doof sind, wie die glauben!«

Ach ja, wie recht hat er, der Kulturredakteur, als er Vernichtendes murmelnd an den Graffiti-Bildern vorbei dem Ausgang zustrebt, ich habe auch schon mal Besseres gesehen. Aba ej, Alta, det darfste nich so eng sehn, wa, det is so ne Art Jesamtkunstwerk! Ullrich Christ

Kantine der taz; Kochstraße 18, Kreuzberg 61, noch bis zum 20. Dezember sowie in der ersten Januarwoche, jeweils 15-18 Uhr.