»Da haben einige Leute zuviel Dallas geguckt«

■ Eine Brauerei-Gesellschaft plant ein Hochhaus in der Charlottenburger City gegen den Willen des Bezirks/ Abenteuerliches Genehmigungsverfahren von der Senatsbauverwaltung beabsichtigt, aber es geht schließlich um 250 Millionen Mark

Charlottenburg. Die Antenne auf dem Dach sei nötig für die Kommunikation des 21. Jahrhunderts, habe aber auch symbolischen Wert. So präsentierte der Londoner Architekt Sir Richard Rogers am Dienstag abend das geplante, 20stöckige Hochhaus, genannt »Zoofenster«, der Brau und Brunnen AG an der Joachimsthaler/ Ecke Hardenbergstraße, schräg gegenüber dem Bahnhof Zoo. Von eher symbolischem Wert schienen auch die drei Prinzipien »liberaler Stadtplanung« zu sein, die Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) zu diesem Anlaß vortrug: Ein Bauwerk müsse die alte wie die neue Stadtentwicklung respektieren, »Nutzungsvielfalt« und »humane Nutzungsfähigkeit« gewährleisten. Dies sei beim Zoofenster der Fall. Deshalb brauche man keinen Bebauungsplan — also auch keine Bewohnerbeteiligung — sondern könne die Genehmigung über den Ausnahmeparagraphen 34 erteilen.

Nicht nur wegen der eher abenteuerlich zu nennenden Genehmigungspraxis ist Rogers 110 Meter hoher Wolkenkratzer im Charlottenburger Kiez umstritten. Das Projekt der Bau und Brunnen AG — ein Zusammenschluß mehrerer Brauereien, darunter Schultheiss, Spreequell und Dortmunder Union — ist der massigste und höchste Bau, der derzeit in der West-City geplant ist. Der L-förmige Baukörper ist in drei Ebenen stufenförmig angeordnet und befindet sich in einem »Dialog«, so Rogers, mit der Gedächtniskirche und dem niedrigeren Europacenter. Die Fassade wird aus Glas und Aluminium gestaltet. In den unteren drei Stockwerken sollen Geschäfte einziehen, darüber wird es Büros und ein Hotel geben. Die oberste Etage wird in einer Höhe von 78 Metern enden. Darüber ist eine Aussichtsplattform geplant, die über Außenaufzüge zu erreichen ist. Die Bau und Brunnen AG, der das 2.400 Quadratmeter große Grundstück seit den fünfziger Jahren gehört, will den jetzigen vierstöckigen Baukomplex abreißen lassen. Das Zoofenster wird 250 Millionen Mark kosten. Der Bau soll Ende 1992 angefangen und Mitte 1995 fertiggestellt werden. Die Geschoßflächenzahl — ein Indikator für die Baudichte — beträgt sagenhafte 14,5. Normal für die Berliner City ist maximal fünf. »Möglicherweise löst so ein Bau eine Kettenreaktion aus, wie in London, wo sich in der City nachts kein Mensch mehr aufhält«, befürchtete Charlottenburgs Baustadtrat Claus Dyckhoff (SPD). Deutlicher wurde vorige Woche auf dem »City-Forum« der ehemalige AL-Abgeordnete Peter Lohaus: »Solche Projekte zerstören die City von Charlottenburg und der Senat billigt das«, sagte er. Von einer Reduzierung der Höhe mochte Bau- und-Brunnen-Vertreter Friedrich Ebeling jedoch nichts hören. »Die ist aus wirtschaftlichen Gründen notwendig, schließlich bauen wir eine anspruchsvolle Architektur«, sagte er. Außerdem sei das Milieu am Bahnhof Zoo nicht erhaltenswert.

Das nächste Glied der Kette könnte etwa ein bereits seit längerer Zeit projektiertes Hochhaus auf dem Viktoriaareal hinter dem Café Kranzler sein. Das möchte der Bausenator zwar nicht genehmigen, denn hier passe ein Hochhaus nicht ins »stadträumliche Umfeld«. Allerdings existiert für das Gelände ein Bebauungsplan, der ein Hochhaus vorsieht. Auf diesen könnte sich die Grundstückseigentümerin, die Viktoria-Versicherung, im Zweifelsfall berufen. Bereits genehmigt ist die Bebauung des nahen Kantdreiecks mit einem — deutlich kleineren — Hochhäuschen. Welches Hochhaus Nagel genehmigen will und welches nicht, richtet sich nicht nur nach seinen drei eher gummiartig anmutenden Prinzipien. Der Senator unterscheidet auch zwischen »guten« und »bösen« Investoren. »Die Investoren, die Wert auf Qualität legen und einen langen Atem haben, werden sich durchsetzen, zumal die Stadt das entsprechend steuert«, sagte er. Es gebe aber auch viel »epigonenhafte Nachbildung fremder Stadtbilder« bei dem, was an Projekten beantragt worden sei, meinte Nagel. »Da haben einige Leute zuviel Dallas geguckt«. Eva Schweitzer