AL und Bündnis 90 im Ost-West-Clinch

■ In der gemeinsamen Fraktion hagelt es gegenseitige Vorwürfe/ Wessis bezichtigen Ossis der »Faulheit«/ Ossis wütend über die »Dominanz« der Wessis/ Trennung der Fraktion im Gespräch

Berlin. Der Konflikt zwischen der AL und dem Bündnis 90 bricht jetzt auch in der gemeinsamen Fraktion der beiden Organisationen offen aus. Heftige Auseinandersetzungen zwischen AL-Abgeordneten und Bündnis-Vertretern prägten die Fraktionssitzung am Dienstag. Während die AL-Fraktionsvorsitzende Renate Künast gestern von einem »reinigenden Regen« sprach, kommentierte der Bündnis-Nachrücker Wolfgang Wustlich die Debatte mit den Worten: »Wir haben endlich begonnen, die Problematik der gemeinsamen Fraktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen.«

Den Streit ausgelöst hatte der Abgeordnete und Ko-Fraktionsvorsitzende Uwe Lehmann vom Bündnis90, der sich kürzlich in einem Artikel gegen eine rasche Fusion der beiden Parteien gewandt hatte. Die Enttäuschung unter den Westberliner AL-Abgeordneten sei nun »allgemein«, hieß es. »Man bemüht sich um sie, man reicht die Hand hin, und dann kommt der Vorwurf, man würde dominieren.« Das sei für viele »demotivierend«.

Am Dienstag machten die Westler ihrem aufgestauten Ärger Luft. Westberliner Abgeordnete wie Marlies Dürkop drohten, sich künftig wieder stärker den Themen des Westteils zuzuwenden. Lehmann und Wustlich warfen ihren Westkollegen vor, Fragen der Wirtschafts- und der Sozialpolitik zu vernachlässigen. Diese Kritik gaben AL-Abgeordnete zurück: »Wenn ihr mehr Wirtschaftspolitik wollt, müßt ihr sie einfach machen.« Der Vorwurf der »Faulheit« gegenüber einigen Bündnis-Abgeordneten, den die Wessis bisher nur hinter vorgehaltener Hand formuliert hatten, wurde am Dienstag erstmals in großer Runde erhoben. »Vielleicht willst du ja nur deine Diäten kassieren«, mußte sich Uwe Lehmann sagen lassen. Auch die grüne Seite trage zur Profilierung des Bündnis bei, argumentierte die Ostberliner AL-Abgeordnete Judith Demba. Aufgrund des Fraktionsnamens »Bündnis 90/Grüne« würden Inititiativen von AL-Abgeordneten in der Presse oft unter dem Titel des »Bündnis 90« erscheinen.

Die Fraktion von Bündnis und AL sei nun mal »eine höchst diffuse Beziehung«, meinte gestern Renate Künast. Deshalb gebe es schon mal Streitereien, bei denen auch »Teebeutel und Teller an die Wand fliegen«.

Immerhin bringen einige AL-Abgeordnete schon eine mögliche Trennung der Fraktion in ihren beiden disparaten Hälften ins Gespräch. In den Augen des Westberliner Abgeordneten Wolfgang Wieland wäre dies jedoch nur »Plan B« für den Fall, daß bis zu den nächsten Abgeordnetenhauswahlen keine gemeinsame Organisation entsteht. »Dann muß die AL den Einmarsch in den Osten machen, gegen das Bündnis 90 antreten, und dann muß die Fraktion getrennt werden.« Hmt