Der Preis ist heiß

■ Erstmals winkt auch Privaten Ruhm/ Ein Gespräch mit Ulrich Spies vom Grimme-Institut

taz: Mit dem nun 28.Adolf-Grimme-Preis, der im Frühjahr nächsten Jahres vom deutschen Volkshochschulverband verliehen wird, hat sich einiges geändert. Was ist neu?

Ulrich Spies: Die wichtigste Neuerung ist sicherlich, daß die Anmeldungen der Rundfunkanstalten, die 27 Jahre lang beim Adolf-Grimme- Preis ein eigenes Vorschlagsrecht hatten, nun auch einer Vorauswahlkommission vorgelegt werden, bevor sie an die Jury weiterempfohlen werden. Früher ging die Nominierung der Rundfunkanstalten „ungeprüft“ an die preisvergebende Jury. Aber die Verhältnisse haben sich seit dem Hinzutreten der Privaten grundlegend verändert, und diesem mußte Rechnung getragen werden.

War die zunehmende Konkurrenz der einzige Grund dafür, daß Sie jetzt auch die ARD- und ZDF- Kontingente durch eine Nominierungskommission schleusen?

Die Juries hatten oft das Gefühl, daß die Anstalten ein falsches Verständnis von dem hatten, was bei Grimmes ausgezeichnet wird. So wurden sehr häufig Filme vorgeschlagen, von deren Thematik man schon allein einen gewissen Bonus erwartete. Auf Form, Inhalte oder gar die Methode von Fernsehmachen wurde dagegen weniger abgehoben. Und das hat immer wieder zu Kritik seitens der Jury geführt.

Haben ARD und ZDF nur Filme nominiert, die mit großem Aufwand produziert worden sind?

Das war eher selten der Fall. Man muß aber auch Unterschiede machen: Das ZDF hat eine eigene Festivalkommission, das heißt, als eine zentral organisierte Anstalt hat man es leichter, im Rahmen einer gründlichen Beratung aus allen Sparten des eigenen Programms auszuwählen, was man ins Rennen um den Grimme-Preis schickt.

Eine ARD mit neun Rundfunkanstalten — zukünftig noch einige mehr — kann sich nicht ein solches koordiniertes Auswahlgremium leisten. Aus diesem Grund sind die Nominierungen der ARD häufig eben zufäliger gewesen.

Erstmals dürfen sich auch die privaten Fernsehveranstalter am Grimme-Wettbewerb beteiligen. Wie sehen dort die Kontingente aus?

Der Grimme-Preis hat sich bereits 1985, als die Privaten auf den Markt traten, geöffnet. Es bestand jedoch fünf Jahre lang lediglich über Zuschauervorschläge die Möglichkeit, eine Sendung eines Privatveranstalters in den Grimme-Wettbewerb zu schicken. Wir haben nun auch den Privaten ein eigenes Kontingent eingeräumt, allerdings nicht nach Sendezeiten bemessen wie bei ARD und ZDF. RTLplus, Sat.1, Tele5, Pro7 und auch noch der Deutsche Fernsehfunk können jeweils zwei Sendungen einreichen.

Denn wenn beispielsweise RTLplus ein zeitliches Kontingent von zwei Stunden einräumen würde, wäre das unverhältnismäßig im Vergleich zu den zehn Sendestunden, die das ZDF lediglich aus seinem Jahresprogramm benennen darf, hat doch das ZDF einen ungleich höheren Eigenproduktionsanteil.

Erhoffen Sie durch die Öffnung des Adolf-Grimme-Preises für die Privaten, neue Anreize für deren Eigenproduktionen zu schaffen?

Ich glaube, daß man keine zu hohen Erwartungen an die Auswirkungen einer Preisentscheidung auf die Programmrealität und auf die Programmplanung haben sollte. Denn ein Grimme-Preis — sei er nun vergeben an ein öffentlich-rechtliches oder ein privates Programm — stützt lediglich die Initiativen, die Qualitäten, die Investitionen einer Redaktion, eines Autors, eines Regisseurs usw.

Ich glaube aber schon, daß man künftig auch bei den Privaten mehr darauf achten sollte, die Eigenproduktionen, die sich sehen lassen können, stärker ins Scheinwerferlicht zu rücken. Da gibt es ja nun doch einiges, wie den Heißen Stuhl von RTLplus, eine ganz andere Form — kontrovers, manchmal bis hin zur Konfrontation — über ein gesellschaftlich brisantes Thema zu reden. Das wird eben dort ganz anders behandelt als etwa in einem Brennpunkt der ARD, einer eher klassischen Form, wie wir sie bei den öffentlich- rechtlichen Anbietern vorfinden.

So etwas auch zu fördern gehört sicherlich zu den wichtigen Funktionen, die ein solcher Fernsehpreis haben kann. Es wäre schlimm, wenn der Grimme-Preis in der öffentlichen Wahrnehmung als ein ausschließlich öffentlich-rechtlicher Preis verstanden werden würde. Er ist der deutsche Preis für Fernsehkultur, unabhängig davon, ob sie unter öffentlich-rechtlicher oder privater Verantwortung hervorgebracht worden ist.

Welche Möglichkeiten bestehen für die ZuschauerInnen, sich mit Vorschlägen am Adolf-Grimme- Preis zu beteiligen?

Das geht ganz einfach mit einer Postkarte. Darauf kann man — wenn möglich unter Angabe von Sender und Ausstrahlungsdatum — eine Sendung aus dem Fernsehjahr 1991 notieren, die man für herausragend hält. Bis zum Jahresende muß die Karte beim Adolf-Grimme-Institut, Eduard-Weitsch-Weg 25 in 437 Marl eintreffen.

Vorgeschlagen werden können nur deutsche Sendungen und Serien, die 1991 erstmals im Fernsehen ausgestrahlt worden sind, also weder Wiederholungen, noch fremde Produktionen, die nur angekauft worden sind.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den Vorschlägen der ZuschauerInnen gemacht?

In der Vergangenheit haben diese Vorschläge immer ziemlich viel Erfolg gehabt. Von zehn bis 15 Sendungen, die ausgezeichnet wurden, waren 70, 80, manchmal sogar 90 Prozent erst durch Zuschauervorschläge in den Wettbewerb gelangt. Interview: Jürgen Bischoff