: Sowjet-Freundschaft überlebt die SU
■ Die Bremer „Deutsch-Sowjetische Gesellschaft“ ist Moskau-treu bis zuletzt
In zwei Wochen, am 1. Januar 1992, wird es die „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ nicht mehr geben. Geben wird es aber nach wie vor die Bremer „Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken“. Ein Bremer Witz?
Keinesfalls. Die deutsch-sowjetische Gesellschaft hat funktioniert, solange sie diplomatisch loyal zur Moskauer Außenpolitik stehen durfte. Seitdem die Perestroika zur Bildung von Bürgerrechts- und Unabhängigkeitsbewegungen gegen das sowjetische Imperium geführt hat, ist die „Gesellschaft“ irritiert. Seit einem Jahr hat es kein Mitgliedertreffen mehr gegeben, Vorsitzender Konrad Kunick hatte sowieso praktisch keine Zeit dafür.
Nachdem im Januar 1991 die Panzer in Vilnius und Riga aufgefahren waren und das erste Blut geflossen war, warnte der Bundesvorsitzende der deutsch-Sowjetischen Gesellschaften, der SPD-Bundestagsabgeordnete Dietrich Sperling vor den Unabhängigkeitsbewegungen: „Wer die Rolle Gorbatschows für Reformprozesse erhalten möchte, der darf seine Solidarität nicht aufsplittern. Das muß man auch den Litauern sagen.“ Die Deutsch-Sowjetische Gesellschaft pflegte Solidarität zu Moskau, der Brief Sperlings wurde auch von der Bremer „Gesellschaft“ zur gefälligen Kenntnisahme verschickt.
„Blindheit“ wirft Eva Ehrenberg, in Ost-West-Kontakten engagiert, der „Gesellschaft“ vor, in Büttenpapier werde da zu offiziösen Festakten eingeladen, die „Gesellschaft“ reist zur Eröffnung von Devisen-Hotels im Sonder-Charter nach Riga, aber ein Vertreter der Demokratie-Bewegungen ist im vergangenen Jahr nicht zu einer Veranstaltung eingeladen worden. Um solche Informationsveranstaltungen und Diskussionen in Bremen zu ermöglichen, taten sich einige unzufriedenen Mitglieder der „Gesellschaft“ privat zu einem „Ost- West-Forum“ zusammen.
Sogar zum Putsch des KGB schwieg die „Gesellschaft“. Hartmute Trepper, Russisch- Lehrerin, meint: Seitdem die SPD 1977/78 die Neugründung der „Gesellschaft“ betrieben hat, seien Mitglieder eher unerwünscht gewesen. Die SPD habe die Gesellschaft „immer mehr ins Rathaus hineingezogen“.
Aus der Protokoll-Abteilung des Rathauses ist Karl-Heinz von Buren im Vorstand der „Gesellschaft“. Die Bremer wollen sich vor allem um Kontate zu Riga und Lettland kümmern, sagt er. Aber in Riga hat die „Gesellschaft“ wegen ihrer Stellung gegen die Unabhängigkeit einen schlechten Namen. Rudolf Sonnet, Ehrenvorsitzender der „Gesellschaft“, empfindet es nicht als Defizit, daß die Gesellschaft die Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützt hat. Die Deutsch-sowjetische Gesellschaft in Riga ist längst zur Deutsch-lettischen Gesellschaft geworden. Sonnet: „Wir müssen uns mit den neuen Leuten da zusammentun.“ K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen