Brave Hunde und verschnupfte Katzen

Die Briten halten an ihren verschärften Quarantänebestimmungen fest/ Ausnahmeregelungen gibt es nicht einmal für die königliche Familie/ Quarantänestationen machen gute Geschäfte/ Tiere sind durch die Zwingerhaft verhaltensgestört  ■ Von Hanna Rheinz

Sheila hatte schon bessere Zeiten erlebt. Seit vier Monaten und 18 Tagen hockt die stattliche Maine Coon aus bestem Hause in der kleinen Zelle mit dem dichten, weiß lackierten Gitter, nur weil Frauchen es sich in den Kopf gesetzt hat, aus ihr eine englische Katze zu machen.

Nun ist sie auf dieser unwirtlichen Insel eingesperrt, umgeben von Hypochondern, die in der Furcht vor einer Seuche leben, mit der sie wirklich nichts zu tun hat. Den Rasen hat sie nur vom heimischen Balkon aus gesehen, und jedes Jahr ist sie vorschriftsmäßig zu allen Impfungen gezerrt worden. Umsonst!

Wie Hinz und Kunz von den Abfalltonnen muß sie ihre Quarantänezeit absitzen, durch die sich Sheila noch einen leichten Schnupfen und eine chronische Bindehautentzündung eingefangen hat. Wenn die neunjährige Sheila Glück hat, wird ihre Haft in einem Monat und 13 Tagen vorüber sein. Schleppt jedoch ein lausiger Köter eine Seuche an, muß sie noch sechs Monate bleiben.

Seit 1922 hat es in Großbritannien nur zwei Tollwut-Fälle gegeben, die von importierten Tiere verursacht wurden. Eine erfolgreiche Seuchenabwehr, die auf dem Kontinent mit seinen liberalen Importbestimmungen von Scrabies-infizierten britischen Tieren allerdings zwiespältige Gefühle auslöst. Trotz veränderter Seuchengefahren sind die Briten gewillt, an ihren Einfuhrkontrollen, die sich nicht nur auf geimpfte Haustiere, sondern auch auf nicht tollwutgefährdete Pflanzenfresser beziehen, festzuhalten.

Verhaltensstörungen sind unvermeidbar

Vor zehn Jahren wurde das Animal- Health-Gesetz sogar noch verschärft: Mit Ausnahme einer bedauernswerten Fledermaus-Art, die bereits mit dem wenig Gutes verheißenden Namen „Vampire Bats“ gestraft ist und in Großbritannien mit „lebenslanger Quarantäne“ rechnen muß, beträgt die Qurantäne im Regelfall sechs Monate für Säugetiere und drei für Vögel. Nur Versuchstiere sind von der Tollwut-Impfung befreit. Werden „zu Kontrollzwecken“ gesunde Tiere getötet, steht dem Besitzer eine Entschädigung zu.

In Großbritannien gibt es mehr als 100 Quarantänestationen. Quarantäne ist hier, wie in Skandinavien, ein einträgliches Geschäft. Die Kosten für den Besitzer belaufen sich pro Tier mindestens auf 1.500 Pfund. Sie können sich aber auch verdoppeln: Erkankt ein anderes Tier an Tollwut oder stirbt es im Zwinger, wird die Quarantäne um weitere sechs Monate verlängert, falls die Tiere nicht gleich getötet werden. Eine Statistik über die Sterberate der Tiere gibt es nicht. Durch die lange Zwingerhaft sind Verhaltensstörungen unvermeidbar: rhythmisches Hin- und Herrennen, Zwingerbellen. Einst brave Hunde werden durch mangelnden Kontakt zum Menschen bissig oder zeigen autoaggressive Verhaltensweisen. Im Gegensatz zu gut geführten Tierheimen haben auch die Hunde in der Quarantänestation keinen Auslauf. Körperlich wirken die Tiere gepflegt. Die Hunde werden einmal wöchentlich gebürstet. Manche Tiere, betont Mr. Duke, Geschäftsführer der Londoner Chingford-Quarantänestation, sind bei Entlassung in besserer körperlicher Verfassung als bei Aufnahme: Ernährungsfehler können durch die Zwingerdiät behoben werden, in den Tropen verbreitete Ekzeme heilen hier oft ab.

Auch im nächsten Jahr, wenn durch den Kanaltunnel mit einem höheren Tieraufkommen gerechnet werden kann, wird nach Auskunft des Ministery of Agriculture, Fisheries and Food keine Lockerung der Quarantäne-Richtlinien zu erwarten sein: „Wir werden die Situation schon bewältigen.“ Britische Tiere werden auch in Zukunft keine Tollwut-Schutzimpfung benötigen: „Das würde nur das Vertrauen der Bevölkerung in unsere Importkontrollen unterhöhlen.“

Geldstrafen in unbegrenzter Höhe

Gibt es eine „illegale Einwanderung“? Englische Segler haben schon eine böse Überraschung erlebt, wenn sie mit Struppi auf Deck flanierten und von Zollpatrouillen darüber aufgeklärt wurden, daß ihr harmloser Ausflug nach St.Malo sie ins finsterste Tollwut-Sperrgebiet brachte. Immer wieder versuchen Touristen ihre Tiere einzuschmuggeln. Voraussetzung sind starke Nerven, denn die Drohung, die eingeschmuggelten Tiere unverzüglich einzuschläfern, schreckt ab. Dem Tierhalter droht zudem Gefängnis bis zu einem Jahr und eine „Geldstrafe in unbegrenzter Höhe“.

„Die Nachbarn sind hierzulande sehr wachsam“, versichern die Mitarbeiter der Londoner Station. Denunziationen bei der Polizei sind keine Seltenheit, wenn mit dem neuen Mieter aus Übersee fremde Haustiere Einzug halten. Ausnahmeregelungen gibt es nicht. „Noch nicht einmal für die königliche Familie“, erklärt das Ministerium nicht ohne Stolz. Unerbittlich sind die Briten bei krebskranken Menschen, die nach Großbritanien zurückkehren und ihre Tiere um sich haben wollen. Der Antrag eines Besitzers, seinen Hund — der kurz darauf im Zwinger einging — den Rest der Quarantäne in der Wohnung absitzen zu lassen, wurde „natürlich“ abgelehnt. Denn: „Es ist eben etwas Besonderes, Inselbewohner zu werden“, resümiert Duke mit ganz unbritischem Overstatement. Schließlich steht es Herr und Hund, Frau und Katze ja frei, sich ins verseuchte Ausland zurückzubefördern.