Der lange Weg zum Wüstenfrieden in Mali

Regierung schließt Waffenstillstandsabkommen mit Tuareg-Rebellen/ Entmilitarisierung des Nordens und Autonomie als Ziel  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) — Die in Mali gesprochene Bambara-Sprache hat ihr Wort des Jahres gefunden: „Kokadie“. „Kokadie“ heißt es, wenn Beamte der im März gestürzten Militärdiktatur entlassen werden. „Kokadie“ nennt man die Slumsanierung in der Hauptstadt Bamako. „Kokadie“ sagt man auch zu den Militäroperationen im Norden des Landes, wo sich die nomadische Tuareg-Bevölkerung im bewaffneten Aufstand gegen die Zentralregierung befindet.

„Kokadie“ heißt „Säuberung“ und kennzeichnet die Stimmung in einem Land, das langsam aus der Diktatur erwacht. Ein wichtiger Schritt zu einer demokratischen Zukunft wurde am Mittwoch abend getan: Vertreter der Regierung und verschiedener Tuareg-Organisationen unterzeichneten in Mopti ein Waffenstillstandsabkommen.

Das Abkommen, geschlossen unter algerischer Vermittlung, sieht eine Waffenruhe „im Prinzip“ vor, einen Gefangenenaustausch und ein „Ende der Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung“, derer sich beide Seiten schuldig gemacht haben. Staatspräsident Amadou Toumani Toure bezeichnete es als Beginn einer „entscheidenden Etappe“. Am 16. Januar soll in Algier eine weitere Gesprächsrunde stattfinden.

Das Zustandekommen des Abkommens war nicht einfach. Seit Frühjahr 1990 operieren im Norden Malis und Nigers bewaffnete Gruppen von Tuareg-Nomaden, unterstützt von den seßhaften Tuaregs, die seit der großen Dürre der 70er Jahre in südalgerischen Siedlungen leben. Ihr Ziel ist die Autonomie ihres Siedlungsgebietes, das sie „Azaouad“ nennen. Am 6. Januar 1991 unterzeichneten die „Volksbewegung von Azaouad“ (MPA) und die „Arabische Islamische Front von Azaouad“ (FIAA) im südalgerischen Tamanrasset ein Abkommen mit dem damaligen Militärregime in Mali, das die beidseitige Entwaffnung, die Entmilitarisierung der Verwaltung und die Freilassung von Kriegsgefangenen vorsah — doch wurde dieses Abkommen nie vollständig umgesetzt. So ging auch nach dem Sturz des Militärregimes der Aufstand weiter. Im Sommer kam es in Timbuktu und anderen Städten zu Pogromen gegen die Tuareg-Bevölkerung. Die jetzigen Verhandlungen waren deshalb mehrmals verschoben worden.

Langfristig streben beide Seiten nun eine größere Autonomie für den unterentwickelten Norden an. Seine Demilitarisierung könnte zu Überraschungen führen: Auf verschlungenen Wegen ist allerlei Golfkriegsgerät in diese hochgerüstete Region gelangt, und hartnäckig halten sich Gerüchte, wonach die Militärbasis von Tessalit, unweit der algerischen Grenze, den USA zur Verfügung gestellt werden soll. Im östlichen Menaka wollen einige sogar US-Marines gesichtet haben.

Delikater wird jedoch die Verteilung der knappen Ressourcen Malis zwischen der verarmten schwarzafrikanischen Bevölkerung und den zu gründenden autonomen Institutionen. Schon jetzt werfen einige politische Gruppen der derzeitigen Übergangsregierung vor, den „arabischen Sklavenhändlern“ nicht entschieden genug entgegenzutreten — ein möglicherweise prominentes Thema bei den zwischen Januar und März angesetzten freien Wahlen.

„Die Malier werden Rassisten“, sagt dazu eine französische Beobachterin. „Zuerst sind die Tuaregs und die Mauren dran... Die Krise und die extreme Armut bringen die Menschen zur Verzweiflung; so suchen sie nach Sündenböcken.“