Nach Maastricht ist die Scham vorbei: Bundesbank erhöht die Leitzinsen

■ Diskont- und Lombardsatz um ein halbes Prozent heraufgesetzt/ Höchster Stand seit 1948

Frankfurt (taz/ap/dpa) — Kaum eine Woche nach dem EG-Gipfel in Maastricht, auf dem die künftige Europäische Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen wurde, hat der Zentralbankrat erneut die Leitzinsen erhöht. Diskont- und Lombardsatz steigen um je einen halben Punkt: der Diskont damit von 7,5 auf 8,0 und der Lombard von 9,25 auf 9,75 Prozent. Bundesfinanzminister Theo Waigel wird den Zeitpunkt des Entschlusses zu würdigen wissen, denn er hätte sich ansonsten in Maastricht von seinen Amtskollegen einige Vorwürfe anhören dürfen. Um die Wechselkurse im Europäischen Währungssystem stabil halten zu können, müssen nun eine Reihe von anderen Ländern ebenfalls ihre Leitzinsen erhöhen — auch wenn dieser Schritt zum teureren Geld ihre Wirtschaftskonjunkturen schädigt.

Waigel hätte in diesem Fall zwar auf die Autonomie des Zentralbankrates (aus Vertretern der Bundesbank und der Landeszentralbanken) verweisen können. Aber seit der deutsch-deutschen Währungsunion hatte die Bundesbank immer wieder eine geringere staatliche Neuverschuldung gefordert. Sie tat dem Finanzminister den Gefallen, ihre Entscheidung erst nach Maastricht zu verkünden. „Präsident Schlesinger war ohnehin auf Schmusekurs mit Kohl und Genscher eingestimmt worden. Viele sprechen sogar ganz unverblümt von Vereinnahmung des deutschen Notenbankchefs“, kommentierte der Branchendienst 'Platow-Brief‘ süffisant.

Am gestrigen Donnerstag aber schritt der Zentralbankrat selbst zur Tat und legte die höchsten Leitzinssätze seit der Währungsreform des Jahres 1948 fest. „Die Zinserhöhung trägt den für die nächste Zukunft gestiegenen Stabilitätsrisiken Rechnung“, lautete die stereotype Begründung. Die Bundesbank bekräftige damit ihre „Entschlossenheit, an ihrem straffen geldpolitischen Kurs festzuhalten“. Insbesondere sei „eine Mäßigung des kräftigen Geldmengenwachstums geboten“, um die Einhaltung des Geldmengenziels für 1992 nicht zu gefährden. Dessen „Korridor“ wiederum hatte die Bundesbank, quasi als Ankündigung, daß noch etwas im Busch stecke, kurz vor Maastricht geringfügig auf 3,5 bis 5,5 Prozent erweitert.

Zum Diskont- bzw. Lombardsatz können sich die Geschäftsbanken bei der Bundesbank mit Geld eindecken, die damit indirekt auf das allgemeine Zinsniveau einwirkt: Müssen die Banken mehr für das frische Geld zahlen, geben sie die Kosten an ihre kredithungrige Kundschaft weiter. Nach Zinserhöhungen gibt es allerdings regelmäßig Streit, weil sich die Banken mit der Weitergabe des Vorteils an ihre Kundschaft nicht gerade beeilen: So wie die Kredite teurer werden, müßten auch die Einlagen auf den Konten besser verzinst werden.

Der Unterschied zwischen den beiden Zinssätzen liegt schlichtweg darin, daß die Bundesbank das (billigste) Diskont-Geld nur in genau begrenztem Umfang an die Banken vergibt, während das (teurere) Lombard-Geld nur der Spitzenversorgung dient. Der dritte Leitzins, der den eigentlichen Marktwert des Geldes darstellt, ist der für Wertpapier- Pensionsgeschäfte, quasi eine Geldversteigerung der Bundesbank. Da sie aber fortlaufend stattfindet, sind vor allem für das Ausland — für die DM-Spekulation wichtig — Diskont und Lombard sehr viel spektakulärer. diba