CDU will PDS-Richterin kippen

Ungewöhnliche Rechtswege der Berliner CDU empören Richterwahlausschuß: Senat verweigert Übernahme einer Ost-Richterin  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Die Kandidatin wurde intensiv durchleuchtet, den Beamten der Justizverwaltung mußte sie Rede und Antwort stehen, die Kammergerichtspräsidentin bat sie zum Gespräch und auch der Präsidialrat des Kammergerichts befaßte sich mit ihrer Vita. Zum Abschluß wog der Richterwahlausschuß nochmal zweieinhalb Stunden lang alle Gesichtspunkte und befand, daß die Ostberliner Richterin Catrin Junge auch weiterhin zum Richteramt befähigt ist und schlug sie vor zwei Monaten dem Senat zur Ernennung vor. Dieser prüfte weniger genau, debattierte jedoch umso heftiger und kam am Mittwoch zu dem Schluß, Frau Junge nicht zu ernennen.

Die Landesregierung sah sich zu diesem einmaligen Schritt durch einen Umstand veranlaßt, der eigentlich bei einer Richterwahl keine Rolle spielen darf: Frau Junge ist Mitglied der PDS. Das jedenfalls behauptete die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus und befand, daß die Richterin „in unserem demokratischen Justizwesen nichts zu suchen habe“. Mit dieser Meinung stießen die Christdemokraten jedoch auf den Widerstand der SPD, mit der sie eine Große Koalition bilden. Da keine von beiden Seiten sich in dem Konflikt durchsetzen konnte, ohne das gemeinsame Regierungsbündnis in Frage zu stellen, beschritt der Senat einen Weg, der im Gesetz gar nicht vorgesehen ist. Der Fall wurde zur erneuten Entscheidung an den Richterwahlausschuß zurücküberwiesen.

Das Wahlgremium sieht sich durch dieses Vorgehen düpiert. Der Verwaltungsrichter Percy MacLean, der für die SPD in dem Gremium sitzt, sieht darin eine Mißtrauenserklärung gegen den Richterwahlausschuß. Aus diesem Grund hatte auch die Justizsenatorin diesem Vorgehen nicht zugestimmt. Die übrigen sozialdemokratischen Senatoren hatten sich dem Willen der CDU gebeugt.

Die Christdemokraten spekulieren nun darauf, daß der Ausschuß zu einem anderen Ergebnis kommt, wenn er Ende Januar erneut über Frau Junge berät. Die Rechnung könnte aufgehen, denn ausgerechnet ein Mitglied des Gremiums, das aus den eigenen Parteireihen kam, hatte seinerzeit die knappe Mehrheit für die Richterin ermöglicht und sich damit den parteiinternen Unbill zugezogen. An der Stelle des unsicheren Kantonisten, der aus Ost-Berlin stammt, soll nun ein gestandener West-CDUler für den rechten Standpunkt sorgen.

In MacLeans Augen ist allerdings eine solche Neubefassung des Richterwahlausschusses zum Zwecke der Stimmenmanipulation unzulässig. Darin weiß er sich im Einklang mit der Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichtes. Zudem bezweifelt der Verwaltungsrichter, der zudem Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen ist, daß der Senat überhaupt zurücküberweisen durfte. Denn, entsprechend den Regelungen des Einigungsvertrages, fällt die Entscheidung über die Übernahme ehemaliger DDR-Richter in allen neuen Bundesländern ein Richterwahlausschuß. Die jeweilige Landesregierung hat lediglich formal zu bestätigen. Dort wird die Prüfung auch großzügiger gehandhabt. Während z.B. in Sachsen mehr als die Hälfte der Richter übernommen werden, hat in Berlin nicht einmal jeder zehnte Aussicht auf eine Weiterbeschäftigung. Da mutet der Streit um die Richterin Catrin Junge schon wie eine Berliner Justizposse an, zumal die Frau, so war zu hören, mittlerweile aus der PDS ausgetreten ist.