Ende des weißen Machtmonopols

■ Heute beginnt die erste Sitzung einer Parteienkonvention, die für das "neue Südafrika" eine neue politische Ordnung formulieren soll die Einleitung zur Machtübergabe an die schwarze Bevölkerungsmehrheit

Ende des weißen Machtmonopols Heute beginnt die erste Sitzung einer Parteienkonvention, die für das „neue Südafrika“ eine neue politische Ordnung formulieren soll — die Einleitung zur Machtübergabe an die schwarze Bevölkerungsmehrheit

AUS JOHANNESBURG HANS BRANDT

Codesa — „Konvent für ein Demokratisches Südafrika“: Unter diesem Namen beginnt heute in Johannesburg der formale Verhandlungsprozeß über eine neue, nichtrassistische Verfassung für Südafrika. Bei diesem ersten, zweitägigen Treffen werden hochrangige Delegationen von 19 politischen Gruppierungen eine Absichtserklärung unterzeichnen, in der formale Grundlagen für eine neue Verfassung festgelegt sind. Und die Diskussionen über die Form des Übergangs zu einer demokratischen Neuordnung werden vor führenden Beobachtern internationaler Organisationen und der Weltpresse stattfinden. Danach wird es auf dem Weg zur Übergabe der Macht an die Bevölkerungsmehrheit des Landes kein Zurück mehr geben.

Nervosität in Pretoria

Deshalb ist in Regierungskreisen in den letzten Tagen Nervosität zu spüren. Der von Präsident Frederick de Klerk im Februar 1990 begonnene Reformprozeß konnte bisher fast ausschließlich von seiner Regierung kontrolliert werden. Aber der Beginn von „Codesa“ bedeutet unwiderruflich das Ende des Machtmonopols, das de Klerks Nationale Partei (NP) seit mehr als 40 Jahren genießt. Das ist ein Grund, warum die NP und der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) sich noch bis Ende dieser Woche über den juristischen Status von Codesa stritten.

Die Beschlüsse von Codesa sollten juristisch verankert werden, forderte ANC-Präsident Nelson Mandela am Montag. Verfassungsminister Gerrit Viljoen reagierte pikiert: „Es ist zu bedauern, daß Herr Mandela eine solch delikate Angelegenheit in der Öffentlichkeit anspricht, während die Parteien noch darüber verhandeln.“ Aber am gestrigen Donnerstag einigten ANC und NP sich doch. Zwar werden die Entscheidungen der Konferenz nicht rechtskräftig sein. „Aber alle Parteien versichern, alles in ihrer Macht und Autorität Stehende zu tun, um die Resolutionen von Codesa durchzuführen“, sagte der Leiter der NP- Delegation, Dawie de Villiers.

Das bedeutet, daß die NP, wo notwendig, Gesetze im Parlament einbringen wird, um Codesa-Resolutionen rechtskräftig zu machen. Allerdings kontrolliert die NP das Parlament. Und auch wenn die Regierungspartei eine Durchführung der Codesa-Beschlüsse nicht mehr verhindern kann, wird sie doch im Parlament Verzögerungen verursachen können. Damit bleibt eine kleine Hintertür für die NP offen.

Allerdings ist die Position der Regierungspartei am Vorabend der Verfassungsverhandlungen geschwächt. Erneute Enthüllungen geheimer staatlicher Unterstützung für die Zulupartei Inkatha haben das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung de Klerk angeschlagen. „Die Autorität der Regierung bröckelt“, kommentierte die Johannesburger 'Sunday Times‘. „De Klerk muß die Regierungsinstitutionen säubern — oder zusehen, wie sie in seinen Händen zerfallen.“

Die Zweifel an der Aufrichtigkeit der Regierung werden die Forderung des ANC nach einer Interimsregierung, in der alle Parteien vertreten sind, stärken. ANC-Sprecher sagen schon voraus, daß vor Mitte nächsten Jahres eine Übergangsregierung eingesetzt werden wird.

Gleichzeitig haben die neuen Skandale die Glaubwürdigkeit von Zulu-Führer Häuptling Mangosuthu Buthelezi endgültig zerstört. Buthelezi kündigte am Mittwoch an, daß er persönlich nicht an der Konferenz teilnehmen werde. Als Grund nannte er die Ablehnung seiner Forderung, daß der Zulu-König und die Regierung des Zulu-Homelands Kwa Zulu separate Codesa-Delegationen haben sollten. „Ich kann einfach nicht an Codesa teilnehmen im Wissen, daß der Zulu-König brüskiert wurde“, sagte Buthelezi.

Umso ominöser klang die Warnung Buthelezis am letzten Wochenende, daß es zu einem „Bürgerkrieg“ in Südafrika kommen könnte, wenn die Zulus nicht an der Formulierung einer neuen Verfassung beteiligt werden würden. Im Vergleich mit einem solchen Krieg würden die Bürgerkriege in Angola und Mosambik „wie ein Kinderspiel“ aussehen, warnte der Zulu-Chef. — Kriegswarnungen hat es auch von seiten der ultrarechten Parteien gegeben, die eine Beteiligung an Codesa verweigert haben. Eugene Terreblanche, Führer der neonazistischen „Burischen Widerstandsbewegung“ (AWB) stürmte letzte Woche aus einem Treffen mit Regierungsvertretern hinaus, nachdem seine Forderung nach einem separaten „Burenstaat“ abgelehnt worden war. Und der Leiter der ultrarechten Konservativen Partei (CP), Andries Treurnicht, warnte am Mittwoch, daß Codesa zu einer schwarzen Regierung und der Unterdrückung der Weißen führen würde: „Das ist ein Rezept für Widerstand, Zusammenstöße und noch mehr Blutvergießen, als jetzt schon zur täglichen Norm gehört.“

Gegnerfront von links

Am linken Rand des politischen Spektrums baut sich ebenfalls Widerstand gegen die Verfassungsverhandlungen auf. Der radikale Panafrikanistische Kongreß (PAC), der anfangs eine Beteiligung zugesagt hatte, zog sich nach einem Sonderkongreß am Montag von den Gesprächen zurück. Das wurde damit begründet, daß eine Reihe von Organisationen bei Codesa vertreten sind, die dem PAC zufolge keine Basis in der Bevölkerung haben. Der PAC ist nur bereit, sich an einer gewählten verfassunggebenden Versamlung zu beteiligen.

Der Rückzug des PAC bedeutet auch das Ende der „Patriotischen Front“, die PAC, ANC und andere Gruppen im Oktober gebildet hatten, um gemeinsame Verhandlungspositionen zu entwickeln. Statt dessen scheint sich jetzt eine linke Front von PAC und Verbündeten gegen den Verhandlungsprozeß zu bilden.

Das erste Codesa-Treffen wurde in den letzten Wochen von einem Komitee der Teilnehmerorganisationen vorbereitet. Unter anderem legte das Komitee fest, daß Beschlüsse bei der Konferenz aufgrund von „ausreichender übereinstimmung“ gefaßt werden sollen. Das bedeutet offenbar, daß zumindest der ANC, die Regierung und die NP einem Beschluß zustimmen müssen. Aber das läßt die Position von Parteien wie Inkatha offen. Die Zulupartei hat in den letzten Monaten wiederholt durch nicht durchsetzbare Forderungen Verzögerungen im Verhandlungsprozeß verursacht.

Bei den meisten anderen Teilnehmern handelt es sich um kleine Parteien aus den Homelands und aus den Parlamentskammern für Mischlinge und Inder, die kaum unabhängige Positionen einnehmen werden. Eine wichtige Rolle könnte allerdings die liberale Demokratische Partei spielen, die schon jetzt vermittelnd und schlichtend auftritt.

Geplant ist, in Abständen von etwa zwei Monaten — ohne zeitliche Begrenzung — Vollversammlungen von Codesa abzuhalten. Aber die eigentlichen Verhandlungen werden wohl in den Zwischenzeiten in einer Reihe von Arbeitsgruppen stattfinden, die Einzelheiten einer Übergangsregierung, eines endgültigen Forums zur Formulierung einer neuen Verfassung und der Wiedereingliederung der Homelands in ein einheitliches Südafrika ausarbeiten werden.