: Ohne ABM „wird hier dichtgemacht“
■ Reaktionen auf die 67%-Kürzung im ABM-Bereich / Initiativen fürchten das Aus
„Eine Katastrophe. Das stellt die ganze Arbeit infrage.“ Wie Herbert Thomsen von der Solidarischen Hilfe e.V. reagierten gestern viele Initiativen und Gruppen auf die Beschlüsse der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Deren Verwaltungsrat hatte am Donnerstag den Haushalt für 1992 verabschiedet und dabei einen für die ABM-Projekte rabenschwarzen Beschluß gefaßt (vgl. taz vom 20.12.): Um 67 Prozent oder 570 Millionen Mark soll das Fördervolumen 1992 in den westlichen Bundesländern gekürzt werden.
Wenn das umgesetzt ist, gäbe es in Bremen möglicherweise nur noch 1.500 statt bisher 4.000 ABM-Stellen. Von A wie Aids- Hilfe bis Z wie Zappelphilipp reicht die engbeschriebene zweiseitige Liste der Projekte, die von Netzwerk zum Projekteplenum eingeladen werden. Die meisten hängen am ABM-Tropf.
Wie die Solidarische Hilfe: 7.000 Arbeitslose, Schuldner oder Sozialhilfeempfänger wandten sich alleine in diesem Jahr zur Beratung an einen der vier Läden der Solidarischen Hilfe. Von den 26 Stellen die es dort gibt, laufen etwa die Hälfte auf ABM. Besonders gefährdet scheinen die Stellen der Juristen und Sozialpädagogen, denn aller Voraussicht nach werden Akademiker am meisten unter den beschlossenen Kürzungen zu leiden haben. „Wenn das jetzt kommt, ist das ein Fiasko“, urteilt Thomsen. „Dann geht die Qualität der Arbeit den Bach runter.“
Das fürchtet auch der Verbund Bremer Krabbel-und Kleinkindgruppen. Gerade erst haben die Krabbelgruppen die Nase etwas aus dem Wasser bekommen. Durch höhere Zuschüsse vom Sozialsenator und die Eigenbeiträge der Eltern kann jetzt eine Festangestellte bezahlt werden. Die zweite, durch die Heimordnung fest vorgeschriebene Kraft muß allerdings bislang über ABM-finanziert werden. Zu den „schwervermittelbaren Arbeitskräften“, die künftig noch auf ABM-Stellen hoffen können, gehören die ErzieherInnen und KinderpflegerInnen nicht. Gaby Helms, als Beraterin selbst auf ABM-Basis beschäftigt: „Es ist jetzt schon schwierig, Kräfte zu finden.“
Nicht besser sieht es für die zahlreichen Fraueninitiativen aus. Beim Frauengesundheitszentrum, das sich dieses Jahr in mehr als 400 Fällen um Frauen in psycho-sozialen Notlagen gekümmert hat, sind von sechs Stellen vier auf ABM-Basis. Ute Timmermann, die derzeit selbst auf eine neue ABM-Stelle hofft, beschreibt das Dillemma so: „Entweder wir müssen noch mehr unbezahlte Arbeit machen, oder die Preise erhöhen oder sogar aufhören.“ Bislang zahlen Frauen 30 Mark die Stunde, ohne ABM müßten 100 Mark genommen werden. Für viele würde das Zentrum unbezahlbar.
„Oh Gott“, reagierte eine Mitarbeiterin des Dachverbandes Ausländischer Kulturvereine (DAB) auf die schlechte Nachricht aus Nürnberg. Der DAB arbeitet mit rund 20 Stellen fast ausschließlich auf ABM-Basis.
Genauso düster sieht es für die zahlreichen Initiativen im Kulturbereich aus. „Gegen einen solchen Kahlschlag haben wir keine Strategie“, sagt Bernd Scheda vom Lagerhaus Schildstraße. Im Lagerhaus selbst gibt es acht ABM-Kräfte und drei vom Arbeitsamt finanzierte Stammkräfte. Doppeltes Dilemma: Sinkt die Zahl der AB-Maßnahmen, wird auch bei den Stammkräften gekürzt. „Es gibt bei uns keine einzige feste Stelle mit einer Absicherung über 1992 hinaus“, so Scheda. „Wenn es keine staatliche Hilfe gibt, dann wird hier Ende nächsten Jahres dichtgemacht.“ hbk
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