Drum prüfe, wer sich ewig bindet

■ Die Grundsatzentscheidung über ein gemeinsames Land Berlin-Brandenburg wird erst Ende 92 gefällt/ Brandenburg will erst Sachfragen klären

Berlin. Ohne die erwartete Grundsatzentscheidung über die Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg zu fällen, tagte gestern die Regierungskommission beider Länder im Roten Rathaus. Man einigte sich lediglich darauf, eine gemeinsame Kommission einzusetzen, die die Eckpunkte einer möglichen Vereinigung klären soll. Dazu zählen vor allem die gemeinsame Verfassungs- und Verwaltungsstruktur, die Finanzfragen sowie die gemeinsame Landes- und Regionalentwicklung und der Interessenausgleich zwischen Stadt, Umland und ländlichem Raum. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Kommission wollen der Senat und die brandenburgische Landesregierung »bis spätestens 31. Dezember 1992« ihre Entscheidung über eine Vereinigung beider Länder treffen. Danach werden die beiden Landesparlamente endgültig über ein Zusammengehen befinden. Daran soll übrigens auch die Bevölkerung beteiligt werden — allerdings wurde noch nicht entschieden in welcher Form.

Mit diesem Beschluß über das weitere Vorgehen hat sich in der seit Wochen schwelenden Auseinandersetzung zwischen Potsdam und Berlin, die brandenburgische Seite durchgesetzt. Der Senat hatte angestrebt, »sobald wie möglich ein gemeinsames neues Land zu bilden und bis Mitte 1993 einen Staatsvertrag abzuschließen«. Darüber wollte er heute eine Grundsatzentscheidung herbeiführen.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen zeigte sich nach der Sitzung der beiden Landesregierungen etwas enttäuscht. Die Gestaltung der Region, so Diepgen, könne »nicht abhängig gemacht werden von den Vor- und Nachteilen, die die einzelnen Ressorts auflisten«. Zwar würde Berlin in der Frage der Vereinigung drängen, doch müsse man verstehen, daß angesichts der jahrzehntelangen Bevormundung durch Ost-Berlin die Brandenburger sehr empfindlich geworden seien. Wenn die Entscheidung über das Ob allerdings erst 1995 oder 1996 getroffen werde, müsse er sich überlegen, ob er sich daran beteilige.

Der Brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe verteidigte das vorsichtige Vorgehen seiner Regierung. Bevor eine Entscheidung falle, müsse »ausgeräumt werden, was an massiven Sachfragen auf dem Weg liegt«. Stolpe nannte vor allem den Finanz- und den Strukturausgleich in einem gemeinsamen Land. Jetzt sei geregelt, »wie wir die nötige Klarheit schaffen«.

Die beiden Kabinette fällten auf ihrer gestrigen Sitzung auch eine Reihe von Beschlüssen über die konkrete Zusammenarbeit. So sollen die Verkehrsressorts der beiden Länder bis zum 30. Juni 1992 einen Entwurf für einen gemeinsamen Verkehrsverbund vorlegen. Beschlossen wurde ferner die Errichtung einer Akademie der Wissenschaften. Zukünftig soll es Kindern aus Berlin möglich sein, in die Kitas der umliegenden Gemeinden zu gehen, ohne daß die Eltern dadurch finanzielle Nachteile erleiden. Das gleiche gilt für den Besuch brandenburgischer Kinder in Berliner Sonderschulen. Zudem soll ein gemeinsamer Abfallentsorgungsplan »unverzüglich« erstellt werden. dr