Space-Bananen

■ Die Filmmusiken von Peter Thomas

Nebelschwaden wabern über das regennasse Pflaster der Gassen von Soho. Hektische Schritte hallen durch die mondlose Nacht, während entfernt ein Saxophon schmachtet. Ein gezupfter Baß überholt das immer schneller werdende Klicken der Absätze, bis ein Todesschrei, untermalt von Blechbläsern, das Bild zerreißt. Inspektor Fuchsberger, wie immer zu spät am Tatort, blickt den aus der Kulisse tretenden Klaus Kinski ernst an und legt schützend den Arm um die junge Hauptdarstellerin. Dazu quietscht fröhliche Beatmusik aus dem Off. „Das Ganze“, so Joe Hembus, „wurde mit dem selbstironischen Stolz dessen serviert, dem es gelungen ist, in seinem preußischen Schrebergarten Bananen zu züchten, die man auch tatsächlich zu sich nehmen kann, ohne daß es einem schlecht wird.“

Die Rede ist von Peter Thomas, der für die akustische Untermalung der Edgar-Wallace-Filme verantwortlich war. Sein größter Hit ist bis heute die Titelmusik zu Raumpatrouille Orion geblieben. Auf der kürzlich als Doppel-CD bei 2001 erschienenen Sammlung von Thomas- Soundtracks sind neben den Highlights von zehn Wallace-Filmen und der Orion-Melodie die Scores der B- Picture-Reihe Jerry Cotton zu hören, sowie die Musik zu dem mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichneten Streifen Playgirl von 1966 (mit Eva Renzi), bei dem der später als als 'HörZu‘-Kolumnist gestrandete Will Tremper Regie geführt hatte.

Als schlecht bezahlter Massenkonfektionär konnte sich Thomas immer nur wenige Tage im Studio leisten. Seine über 500 zwischen 1960 und 1970 entstandenen Filmmusiken wurden stets live eingespielt. Dabei rührte der einstige Arrangeur von Esther und Abi Ofarim improvisierte Versatzstücke aus Big- Band-Jazz, Volksmusik und leichter Klassik mit viel Echo zum sogenannten 'New Astronautic Sound‘ zusammen. „Da hab' ich so einen Verstärker und ein Mikro genommen, das Mikrophon ins Klavier geworfen, und dann hab' ich an den Dingern gedreht. Da waren dann so komische technische Sachen da ... Verdopplungen und Verzerrungen ... Und auf einmal war das wie so ein Unterwasserklavier, und da dachte ich: so müßte das eigentlich in einem Raumschiff klingen.“

Nachdem der Junge Deutsche Film die alte Regisseursriege hinweggefegt hatte, war auch Thomas' Glanzzeit zu Ende. Das Improvisationstalent verlegte sich aufs Fernsehen, wo er Derrick-Episoden und Personality-Shows nachvertonte. Manches von dem, was er zum Broterwerb einspielte, wirkt noch immer außerordentlich modern, anderes wie Blasmusik in falscher Geschwindigkeit. Schnell gehen mußte es allerdings immer. Thomas ließ zwischen Der Tiger von Eschnapur und Steiner keinen Auftrag aus.

Obwohl Peter Thomas die deutsche Vorstellungswelt vom „Weltraum“ nachhaltig geprägt hat, sind viele, die an der Produktion musikalischer Tagesware beteiligt waren, heute bekannter als er. Victor von Halem, der seine Stimme dem ein oder anderen Thomas-Song lieh, ist inzwischen Bariton an der Deutschen Oper Berlin. Der Saxophonist Klaus Doldinger hat seinen Kapellmeister beim Fernsehen längst an Popularität und an Aufträgen überflügelt. Seit 1984 vermarktet Thomas selbst produzierte Hörspielcassetten zur Verkehrserziehung. Inzwischen ist nämlich sogar seine Titelmusik für den „Großen Preis“ abgesetzt worden. Stefan Gerhard

Peter Thomas: Filmmusik. 2 CDs, 140 min., Polydor, im Vertrieb von 2001.