Katz-und-Maus-Spiel mit Haiti-Flüchtlingen

Washington/Atlanta (wps/afp/ taz) — Wenige Tage vor Weihnachten sind die rund 6.000 haitianischen Flüchtlinge auf dem US-Stützpunkt Guantanamo Bay einem ziemlich unchristlichen Katz-und-Maus-Spiel ausgesetzt. Nachdem sie am Dienstag durch den Beschluß des US-Bundesrichters Clyde Atkins knapp vor der Abschiebung in ihre Heimat bewahrt worden waren, hat ein Berufungsgericht in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia zum zweiten Mal innerhalb dieser Woche grünes Licht für den erzwungenen Rücktransport der Haitianer gegeben.

Für die Flüchtlinge beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit. Zwar haben sie grundsätzlich noch eine hauchdünne Chance, wenn heute ihre Rechtsanwälte und die Vertreter der US-Regierung noch einmal vor Gericht ihre Argumente in einer Anhörung vortragen. Doch für viele könnte dies zu spät sein, denn die US- Militär- und Einwanderungsbehörden in Guantanamo Bay haben angekündigt, daß sie mit dem Gerichtsentscheid aus Atlanta auf dem Schreibtisch, umgehend mit der Abschiebung der „Boat People“ beginnen wollen.

Bereits Mitte November waren über 500 Haitianer gegen ihren Willen in ihre Heimat zurückgebracht worden, bevor Richter Atkins erstmals einen Abschiebstopp verhängte. Atkins Entscheidung zeitigte prompt eine verblüffende Wirkung bei den Anerkennunsverfahren durch die Einwanderungsbehörde. Lag die Anerkennungsrate vorher bei nur sechs Prozent, stieg sie nach dem Abschiebestopp durch den Richter auf 18 Prozent.

Unterdessen verteidigt US-Präsident George Bush weiterhin die rigide Haltung seiner Regierung gegenüber den haitianischen „Boat People“, deren Zahl nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Aristide im September auf rund 7.000 gestiegen ist.

Viele der Haitianer hofften in den USA nur auf einen höheren Lebensstandard, sagte der Staatschef in Washington vor ausländischen Journalisten. Im gleichen Atemzug kritisierte Bush die haitianische Militärjunta, die das Land in eine Diktatur verwandele — eine Argumentation, die Kritiker seiner Flüchtlingspolitik für schlicht schizophren halten.

Der Rechtsanwalt der haitianischen Flüchtlinge in den USA, Ira Kurzban, verurteilte die Äußerungen Bushs. Der amerikanische Präsident verlange, daß die Haitianer in ein diktatorisch regiertes Land zurückkehrten. Kurzban kündigte an, bis vor den Obersten Gerichtshof zu gehen, um die Abschiebung der Flüchtlinge zu verhindern. anb