Alle reden von Klima, doch der westdeutsche Energieverbrauch steigt

■ 4,2 Prozent mehr im Westen, 27 weniger im Osten/ Wieder Kopplung mit Wirtschaftswachstum

Berlin (taz/dpa) — Während Kanzler Kohl, sein Umweltminister und manchmal sogar der Wirtschaftsminister in aller Welt von der Gefährdung des Klimas und vom Energiesparen reden, scheren sich ihre Wähler und Wählerinnen im Westen des Landes einen feuchten Kericht um die heeren Worte der Politmatadore. Ein Jahr nach dem wegweisenden Beschluß, in den nächsten 15 Jahren ein Viertel weniger Kohlendioxid in die Luft zu blasen, hat der für die CO2-Emissionen verantwortliche Energieverbrauch im Westen Deutschlands deutlich zugenommen. 4,2 Prozent mehr Energie haben die Wessies nach vorläufigen Schätzungen der Essener „Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen“ verbraucht.

Mit 408,5 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten (SKE) erreichten die Westbürger damit wieder den bisherigen Rekordwert von 1979. Die in den vergangenen 15 Jahren zu beobachtende Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und steigendem Energieverbrauch hat sich damit im Westen offenbar nicht fortgesetzt. 1990 hatte der Verbrauch noch bei rund 389 Millionen SKE gelegen, und 1989 hatte es trotz Wachstum sogar noch eine Abnahme gegeben.

Als Gründe für den Zuwachs in der alten Bundesrepublik nennt die Arbeitsgemeinschaft die konjunkturelle Entwicklung und die kühlere Witterung. Davon profitierten v.a. Mineralöl und Erdgas, deren Anteile am Gesamtverbrauch sich auf 41,2 (Vorjahr: 41) und 18,1 (17,5) Prozent erhöhten. Bei Stein- und Braunkohle fiel der Anteil auf 18,6 (18,9) bzw. 8 (8,2) Prozent. Der Beitrag der Atomkraft sank auf 11,6 (12) Prozent. Wasserkraft steuerte nur magere 1,2 (1,3) Prozent bei.

Insgesamt hat sich der Energieverbrauch in Deutschland 1991 gegenüber dem Vorjahr allerdings um 2,7 Prozent auf 491 Millionen Tonnen SKE verringert. Dies ist allein auf den wirtschaftlichen Einbruch in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Dort sei die Nachfrage um 27 Prozent auf 82,5 Millionen Tonnen SKE zurückgegangen. Schon 1990 hatten sich Stromverbrauch und Primärenergieverbrauch in den fünf neuen Ländern deutlich verringert. Auch die Abnahme der CO2-Emissionen in Deutschland um insgesamt 6 Prozent, die sich Umweltminister Klaus Töpfer kürzlich an den Hut heftete, verdankt der Klimastreiter ausschließlich dem Zusammenbruch der Wirtschaft in den östlichen fünf Bundesländern.

Aber sogar in den fünf neuen Bundesländern stieg der Mineralölverbrauch. Die Heizölnachfrage hatte vor allem im ersten Halbjahr wegen der angekündigten Steuererhöhung kräftig zugenommen, aber auch die Motorisierung erreichte ein Rekordniveau. Ende 1991 waren in Ost und West zusammen rund 50,7 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen. Zwei Jahre zuvor waren es noch knapp 43 Millionen.

Der Anteil der Braunkohle am Primärenergieverbrauch war im Osten dagegen mit 61,7 (68,7) Prozent rückläufig. Erdgas erhöhte seinen Anteil trotz absoluten Verbrauchsrückganges auf 10,1 (8,5) Prozent. Die Steinkohle hielt ihren Beitrag von 4,2 Prozent. Mit der Atomkraft, deren Anteil nach Teilabschaltungen in Greifswald schon 1990 nur noch 1,9 Prozent betrug, ist es in Ostdeutschland nun ganz aus: Die Kraftwerke wurden im vergangenen Jahr endgültig stillgelegt. ten