Ein schlechtes, neues Jahr für Flüchtlinge

■ Tamilische und afghanische Flüchtlinge sollen in Zukunft leichter abgeschoben werden

Berlin (taz) — Während andere schon gute Wünsche für das neue Jahr auflisten, fragen sich Flüchtlinge aus Sri Lanka, Afghanistan und dem Irak seit Wochen, ob sie 1992 womöglich wieder im Bürgerkrieg, auf einem Minenfeld oder in Verstecken vor irakischen Truppen verbringen werden. Am 31. Dezember läuft die Abschiebestoppregelung für Kurden aus dem Irak, Tamilen aus Sri Lanka und Flüchtlinge aus Afghanistan aus. In einem Schreiben an die Innenminister der Länder hat Bundesinnenminister Seiters nun vorgeschlagen, den Abschiebestopp für irakische Kurden bis zum 30. Juni zu verlängern.

Im Fall der Tamilen soll in Zukunft jedoch jeder einzelne nachweisen, daß ihm im Fall einer Abschiebung „Gefahr für Leib und Leben“ droht. Paradoxerweise erkennt Seiters jedoch an, daß sich die Menschenrechtssituation in Sri Lanka verschlechtert habe. Flüchtlinge aus Afghanistan hätten nach Vorschlag von Seiters dann keine Chance mehr auf eine Duldung, wenn sie über Pakistan nach Deutschland gekommen sind.

Zumindest in Nordrhein-Westfalen können die Betroffenen über die nächsten sechs Monate etwas ruhiger schlafen. Die Landesregierung signalisierte Bonn ihr Einverständnis mit den Seiters-Vorschlägen, will den Abschiebestopp jedoch für alle drei Flüchtlingsgruppen generell bis zum 30. Juni 1992 verlängern, erklärte gestern Innenminister Schnoor. Eine längere Laufzeit als sechs Monate läßt das neue Ausländergesetz nicht mehr zu. Seinen Kollegen in den anderen Bundesländern empfahl er, genauso zu verfahren.

Gleichzeitig forderte Schnoor Lageberichte des Auswärtigen Amtes zur Situation in Somalia, dem Süden des Sudan und Zaire an. Die aktuelle Situation lege die Frage nahe, ob nicht auch in solchen Fällen ein Abschiebestopp verhängt werden sollte.

Kritik an den Seiters-Vorschlägen übten die „Gesellschaft für bedrohte Völker und die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, Pro Asyl. Deren Sprecher Herbert Leuninger erklärte, das Vorhaben, afghanische und tamilische Flüchtlinge mit Beginn des neuen Jahres verstärkt abzuschieben, beweise, daß das „politische Klima für Flüchtlinge immer eisiger“ werde. Pro Asyl fordert einen generellen Abschiebestopp für Flüchtlinge, die aus Krisen- und Kriegsgebieten kommen. Auch amnesty international hatte sich für eine uneingeschränkte Verlängerung der Abschiebestoppregelungen eingesetzt.

Unklar ist bislang noch, ob einigen Bundesländern selbst die Seiters- Vorschläge nicht zu weit gehen. Vor allem Bayern hatte sich im Sommer dieses Jahres, als die Duldungsregelungen für Tausende von De-facto- Flüchtlingen ausliefen, für eine rigide Abschiebepolitik stark gemacht.

Im bayerischen Innenministerium wollte man sich zu dem Schreiben Seiters' nicht weiter äußern, da man, so ein Sprecher, erst vor kurzem davon informiert worden sei. „Im Prinzip kann man aber davon ausgehen, daß wir dem zustimmen.“