Ich bin der Stamm!

■ BREMER EINFALLSPINSEL (6): Mia Warwas stylt Radio Bremen und Wurstpellen

„Bremer Einfallspinsel“ ist eine taz-Serie mit Porträts aus der Bremer Zeichner- und Karikaturisten-Szene. Wer verdient hier mit gezeichneten Witzen und schrägen Einfällen sein Geld. Alles Scherzkekse? Auf wessen Kosten wird gelacht? Wo kommt der Einfall her? Bisher erschienen: Harm Bengen (15.10.), Buzz Bütow (24.10.), Nils Fliegner (6.11.), Heinz Fuchs (19.11.) und Gerold Paulus (6.12.). Kopien der Serie gibt's im Büro der Bremer taz, Am Dobben 123.

Kann sein, Sie kennen Mia Warwas nicht. Aber ihr Türkis-Meer- Grün, das kennen Sie gewiß: die Farbe, mit der das neue buten & binnen-Studio angestrichen wurde. Vor drei Jahren ging sie zum Radio Bremen und räumte da etwas auf. Mit dem „Firmen-CD“. Das heißt corporate design und meint z.B. das Firmenlogo mit der roten Antenne und dem Schriftzug „Radio Bremen im Ersten“. Das wurde vereinheitlicht und geglättet bis zur Wiedererkenntlichkeit.

Auch von Warwas gestylt: der „Sportblitz“ und die Ratesendung „Kreuz und Quer“. Blitzaufträge waren Cartoons zu aktuellen Tagesereignissen für buten & binnen. Weil sie sich mit der Chefin verkrachte, verließ sie nach zwei Jahren das Haus und machte sich selbständig.

Kürzlich hat sie es ja nochmal versucht: einen Fuß in die Tür der Kunsthochschule zu setzen, die sie als Grafik-Designerin ausbilden will; noch ist sie eingeschriebene Studentin. Doch Mia Warwas „fand den Tritt nicht“, das Tempo war ihr zu langsam. In ihrem Design-Studio in der Kreftingstraße ist Zeit Geld.

Mia Warwas (Jg.'63) hat heute einen Platz am Bremer Cartoonisten-Stammtisch neben Buzz, Bengen, Mette, Fuchs, Roeder und Paulus. „Als ich zum ersten Mal da hinkam, kriegte ich einen Schreck: alles alte Hippies mit langen Haaren!“ Und: alles Witzezeichner. Dagegen sind ihre Produkte geradezu seriös. Sie gestaltet Bedienungsanleitungen für NUK- Latex-Sauger, stylt Fleischberge, macht die Werbung für die Hannoverschen Stadtwerke, bedruckt T-Shirts, hat naturalistische Hintergründe für Trickfilme gemalt und denkt sich Briefköpfe aus. „Es war wahnsinnig lustig an dem Abend,“ erinnert sie sich; sie blieb dabei. Und ist infiziert: „Wenn mir jemand einen Auftrag gäbe, würde ich auch Witze zeichnen.“

Ihr Stil ist ausgesprochen vielfältig. Von der schulmäßigen Modezeichnung, die an 50er-Illustrierte erinnert, über akribische ligne-clair- Zeichnungen (nur reduzierte Umrißlinien ohne Schattierung) bis zu reinen Deko-Mustern reicht ihr Spektrum. Neuerdings läßt sie zeichnen: der Apple verbindet Punkte zu Ideallinien und läßt Strichmännchen und fette Lettern über den Bildschirm wandern. „Am Computer mache ich 50 Prozent meiner Arbeit“,

hierhin bitte das

Foto von der Frau

vor Gemälde

sagt sie; meist Text und Layout.

Wo es geht, verpaßt sie ihren Motiven barocke Schlenker und Löckchen. „Ich arbeite mit viel Bauch.“ Weiblich? Kann sein, sie benutzt z.B. auch gern mal jugendstilige Blumen, Fische, romantische Motive. Hemmungen als Frau bestimmten Aufträgen gegenüber? „Nee; ich zeichne auch sexistisch, Frauen mit großem Busen. Bei Krieg, bei Bundeswehr würde ich ablehnen. Auch Atomkraft.“

Mia Warwas, in Bremen geboren, hat die Stadt nie ernsthaft verlassen: „Das ist hier ein richtig fettes Nest,“ sagt sie und meint nicht ihren Vater Klaus Warwas, Professor für Mode an der Kunsthochschule in Bremen. In seinem notorisch schönen Stadthaus unterm Dach hat sie ihr Atelier eingerichtet. Der Bruder ist Maler. Die Mutter ist Grafik-Designerin. Nützt ihr die Verwandschaft? „Üüüberhaupt nicht!“ betont sie, „ich habe alles selbst erarbeitet, mein Vater guckt sich meine Sachen gar nicht an.“

Was sie abgekriegt hat: Selbstbewußtsein, die Voraussetzung, sich am Markt zu behaupten. „Ich bin der Stamm“, so stellt sie ihren Betrieb vor; sie beschäftigt freie Mitarbeiter, PraktikantInnen, ihren Freund. Gearbeitet wird in schickem Ambiente: Designer- Schreibtisch, Bisley-Schubschränke, Halogen etc. Die Zukunft? Vielleicht Professorin - dann müßte sie das Studium zu Ende machen. Oder Art-Directorin. Auch das Fernsehn, solange

Foto: Jörg Oberheide

es nicht in Bremen gemacht wird, hat sie nicht vergessen. Doch zunächst geht's an den aktuellen Auftrag: Design-Entwurf für eine Wurstpelle. Burkhard Straßmann