Friedrich Luft (1911-1990)

■ Morgen jährt sich zum ersten Mal der Todestag des Berliner Theaterkritikers

Welcher Theaterkritiker konnte oder kann das schon von sich sagen: »Mich hören und lesen auch Leute, die sich nicht für Theater interessieren!« — Friedrich Luft, der Heiligabend 1990 gestorben ist, hätte das nie gesagt: er hatte die bei Kritikern so seltene Tugend der Bescheidenheit.

Aber es war so: Meine Tante in Bad Muskau/Niederlausitz, an der polnischen Grenze, hörte schon in den sechziger Jahren »Fritze« Luft. Als Kind durfte ich mithören; ich glaubte, jemanden singen zu hören aus dem alten Röhrenradio. Er sprach so ulkig. Schien immer an der falschen Stelle Luft zu holen. Hatte offenbar weder Punkt noch Komma in seinen Manuskripten — oder sprach er etwa auswendig? Es klang so. Einmal traf ich ihn: im RIAS-Fahrstuhl. Er sah mich streng an, räusperte sich und sprach: »Sie arbeiten zuviel!« — Pause — »Doch doch, Sie haben eben so geseufzt!«

Er war unakademisch, unnahbar, aber kein bißchen arrogant — und verständlich für alle, die deutsch sprechen. Er war ein radikaler Subjektivist; »ich war da und habe folgendes gesehen, gehört, empfunden« — das war sein Stil. Hoffen wir, daß seine Kritiken, die ihn als Zeitzeugen erster Güte ausweisen, bald komplett in Buchform erscheinen. Schön wäre es auch, ihn auf CD und Kassette hören zu können. Leute wie Luft sind so wichtig — nicht zuletzt für andere Schreiber, denen er helfen kann, nicht zu spinnen, nicht abzuheben, keinen Insider-Quark zu rühren.

Gern hätte ich diese kleine Erinnerung an Friedrich Luft in seinem Stil geschrieben. Als Parodie aus Verehrung. Tut mir leid. Ich kann es nicht. Klaus Nothnagel