Holiday on Berliner Ice

■ Die Bilanz der beiden Berliner Eishockey-Bundesligisten fällt recht unterschiedlich aus Während der Elan der Preussen verpufft ist, kommt der Dynamo nicht richtig in Schwung

Berlin. Stolz berichtet Stefan Metz, Manager des Eishockey-Erstligisten BSC Preussen, von seinem jüngsten Coup. Elf Sponsoren werden künftig über eine Million Mark jährlich in den Spielbetrieb der Charlottenburger investieren. Eishockey wird immer populärer, die (Werbe-)Wirtschaft erkennt ihre Chance. Sie soll die Lücke gegenüber den Großen schließen.

Die Großen sind momentan Düsseldorf, Köln, Rosenheim. Eigentlich wollte der BSC bereits dieses Jahr im Konzert der Giganten neue Saiten aufziehen. »Wir wollen Meister werden«, legten sich Trainer Craig Samer und Mannschaftskapitän Axel Kammerer frühzeitig fest. Mittlerweile balgen sich die Berliner mit dem Kölner EC »nur« um Rang drei in der Tabelle, den die Preussen lange Zeit mit komfortablem Punktevorsprung gegenüber den Rheinländern behauptet hatten. Aber Preussens Gloria — Eishockey mit den kanadischen Zutaten Härte und Schnelligkeit, von dem Bundestrainer Ludek Bukac schwärmte, dies sei ein Vorgeschmack auf das Jahr 2000 — zeigt mittlerweile deutliche Abnutzungserscheinungen. Offensichtlich haben einige Spieler zu lange an ihrer obersten Leistungsgrenze agiert.

Zwei ausgezeichnete Torleute (Merk und Appel stehen im Nationalkader) reichen nicht aus, um Rosenheim oder Düsseldorf Paroli zu bieten, wenn im Sturm — Holzmann und Malo ausgenommen — auf breiter Front Flaute herrscht wie zuletzt gegen die Kellerkinder Kaufbeuren (3:10-Niederlage) und Landshut (trotz 9:3-Heimsieg vor der Minuskulisse von 3.700 Zuschauern). Ausgerechnet die beiden Ausländerpositionen — früher mit Dave Silk und Tom O'Regan vorbildlich besetzt — bilden inzwischen die Archillesferse des BSC. O'Regan steht derzeit offensichtlich neben seinen Schlittschuhen, und der Slowake Miro Ihnacak, aus der nordamerikanischen Profiliga an die Spree transferiert, schliddert (noch?) wie ein Fremdkörper über das Eis. Zu wenig, um die Klassenbesten vom Thron zu stoßen — vor allem weil Düsseldorf und Rosenheim mit vier gleichwertigen Spielreihen aufwarten, wovon man in Preußen nur träumen kann. Vielleicht wird der Weihnachtsmann in Gestalt des neureichen BSC-Managers Stefan Metz nochmals auf dem Spielmarkt aktiv?!

Wie die erstklassigen Kollegen aus dem Westteil der Stadt mit Bundesligacoach Buchac so haben auch die Dynamos aus Hohenschönhausen in der Zweiten Bundesliga einen prominenten Fan. Bei den Ostberlinern, lobte jüngst Rosenheims Erfolgstrainer Jano Starsi, seien einige Spieler zu gut für das Bundesliga- Unterhaus. Wen wundert es, schließlich haben fast alle »Eisbären« letztes Jahr noch im Oberhaus kombiniert, bevor der Abstieg den sympathischen Familienbetrieb aus dem Sportforum ereilte. Daß es mit dem proklamierten Wiederaufstieg umgehend klappen wird, kann den Rothemden nach den bisherigen Saisonleistungen ernsthaft niemand mehr reinen Herzens glauben. Peinliche Niederlagen gegen Sauerland oder Bad Nauheim, die Biedermänner der Liga, offenbarten auf grausige Art und Weise die eigentliche Schwäche der »Ossis«.

Da wird vor dem eigenen Tor, das von zwei launischen Keepern abwechselnd gehütet wird, sorglos hin- und hergepaßt, daß der Gegner nicht einmal Schlittschuhe bräuchte, um die Harakiri-Schieberei gefährlich zu stören. Und im Angriffszentrum benötigt der ehemalige DDR-Meister »Chancen für ein ganzes Wochenende« (Standardspruch des EHC-Trainers Hartmut Nickel), bevor einmal gejubelt werden darf. Was nützt es da, wenn einige Berliner ihre Gegenspieler in einer Telefonzelle austricksen könnten. Niemand spielt so schön und arglos wie der EHC, wodurch selbst die technisch unterlegenste Gastmannschaft im Sportforum Hohenschönhausen ihre Chancen schußgerecht serviert bekommt. Einige Berliner Puckjäger scheinen die harten Gesetze des bundesdeutschen Eishockey-Marktes, auf dem die Zahl der Proficlubs bis zum nächsten Jahr von 32 auf 24 reduziert wird, noch immer nicht inhaliert zu haben. Wäre im Angriffszentrum der Dynamos nicht ein Ausnahmekönner wie der Kanadier Marc Jooris, der EHC wäre wohl — trotz des höchsten Saisonetats aller Zweitligisten — bereits in der Vorrunde gescheitert und müßte nun sogar um den Verbleib in der 2. Liga bangen.

So aber tummelt sich der EHC im breiten Mittelfeld der zehn Klassenkameraden, die unter sich den Aufsteiger in höhere Gefilde sowie die Sitzenbleiber ausmachen. Doch anstatt sich zunächst das bedrohlich nähergerückte Tabellenende als realistisches Maß der Dinge vom Halse zu halten, blickt man in der Steffenstraße lieber nach oben. Zu wünschen wäre Berlin und dem EHC Dynamo der sofortige Aufstieg allemal — aber dafür müßten zuerst die mentalen Voraussetzungen geschaffen werden. Im Hurrastil sind in der Bundesliga II schon viele Erstliga-Absteiger hängengeblieben, weil sie dachten, die Gegner seien ohne Gegenwehr vom Eis zu fegen.

P.S.: Das Neueste: Die kritische taz-Bilanz zu Weihnachten hat offensichtlich nur teilweise gewirkt. Während der EHC Dynamo sein Auswärtsspiel in Garmisch-Partenkirchen mit 5:4 gewann, mußte der BSC Preussen beim Tabellenletzten ES Weißwasser eine 2:4-Niederlage hinnehmen. Schöne Weihnachten! Jürgen Schulz