■ IM KOSMOS: Kraftwerke im Weltraum
Im Jahre 2050 soll die Technik soweit sein, daß Weltraumkraftwerke umweltschonend die gesamte Energie für die Erde erzeugen. Laurent Belsie sprach mit dem Weltraumforscher GERARD K.O'NEILL
WORLD MEDIA: Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit Weltraumkolonien zu befassen?
Gerard K.O'Neill: Der Anstoß zu diesem Thema war der Versuch zu beweisen, daß ein Weltraumkraftwerk so viel Energie produzieren kann wie etwa zehn Atomkraftwerke auf der Erde. Man wandelt Energie in Elektrizität und dann in Radiowellen mit niedriger Frequenz um. Diese Radiowellen werden auf die Erdoberfläche gesendet, mit einem seit 50 Jahren bekannten Verfahren. Man könnte die Energie an Kollektorfelder von flachen Antennen senden, die wie das Dach eines Treibhauses aussehen würden. Es gäbe eine Menge solcher Antennen, die über ein Areal von drei bis fünf Kilometer verteilt wären. Sie stünden in einem geschlossenen und abgezäunten Gebiet, so daß die Leute nicht hineinspazieren können.
Wäre das denn gefährlich?
Niemand würde schwer verletzt werden, wenn er ein solches Gebiet beträte. Es wäre auf keinen Fall eine Todeszone! Es würde dieselbe Energiedichte sein wie im Sonnenlicht.
Wie lange wird es dauern, bis wir die erste Kolonie haben?
Wenn die Leute sich darauf konzentrierten, könnten wir in acht bis zehn Jahren ein kleines Demonstrationssatellitenkraftwerk in Betrieb nehmen. Das ganze Apollo-Projekt wurde in nur acht Jahren abgeschlossen, und das unter viel schwierigeren Bedingungen. Das erste voll arbeitende Satellitenkraftwerk, das aus lunaren Materialien gebaut sein wird, werden wir wahrscheinlich in 20 Jahren haben. Wenn wir aber weiter so herumwursteln, ist es möglich, daß wir es nie erreichen.
Wie würde eine Weltraumkolonie aussehen?
Nach unserem Entwurf hätte sie eine kugelförmige Gestalt, die an beiden Polen mit je einem Zylinder verbunden ist. Die Zylinder würden so angeordnet sein, daß sie eine Menge Tageslicht auffangen und landwirtschaftlich genutzt werden können. Die Kugel als bewohnbarer Lebensraum. Die Bevölkerung, deren Dichte der in angenehm bewohnbaren Zonen der Erde entspräche, würde für eine Kolonie dieser Größenordnung um die 10.000 liegen.
Würde man so wie auf der Erde leben können?
Man kann eine Kolonie einrichten, die eine extreme Variation der Jahreszeiten aufweist, oder eine, in der man ein Klima wie in Hawaii hat. Das kann man völlig frei auswählen. Menschen können sich anpassen, aber Pflanzen können es nicht. Und wenn man sich einmal für Pinien entschieden hat, kann man nicht mehr plötzlich auf Palmen umstellen.
Es würde also Pflanzen und Tiere in diesen Kolonien geben?
Sie wären überall bepflanzt. Und da man die Pflanzenschädlinge nicht von der Erde mitbringen müßte, bräuchte man auch keine Pestizide. Es gibt auch eine ganze Menge anderer parasitärer Lebensformen, die man zurücklassen würde. Man würde zum Beispiel keine Moskitos haben, sondern für die Befruchtung der Pflanzen statt dessen Bienen einsetzen.
Könnte man auf einem so kleinen Planeten Baseball spielen?
Aber ja! Wenn Sie einen sehr hohen Abschlag machen, fliegt der Ball in lustigen Kurven herum, so als würde ein starker Wind wehen. Bei normalen Spielen würde man es gar nicht merken. Der große Unterschied zur Erde wäre, daß die Menschen in der Nähe der Rotationsachse, wo die Schwerkraft sehr niedrig ist, ohne Probleme fliegen könnten.
Was wären die Folgen für das Leben auf der Erde?
Eine der wichtigsten Änderungen wäre, daß die Welt nicht mehr in Energiebesitzer und Energie-Habenichtse aufgeteilt wäre, weil die Energie von Satellitenkraftwerken von jedem Land in gleicher Weise genutzt werden könnte. Die arabische Welt würde ihren Platz als Ölexporteur verlieren. Die Welt wäre insgesamt viel sauberer. Wir würden aufhören, Kohlendioxid in die Atmosphäre zu schleudern, der Treibhauseffekt und die Erderwärmung und alles andere, was damit zusammenhängt, würden gestoppt.
Was bedeutet das für das Leben im Weltraum? Würden wir eine neue Welle der Weltraumerkundung auslösen?
Aber ja! Es ist in erster Linie eine Frage der Zeit. Wenn der Durchbruch erst einmal erfolgt ist, wird die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten sein. Ich glaube, es gäbe dann auch eine größere kulturelle Vielfalt. Die kulturelle Entwicklung könnte leichter verschiedenen Wegen folgen.
Gerard K.O'Neill gründete 1977 das „Space Studies Institute“ der USA, war bis 1985 Physikprofessor in Princeton. Heute arbeitet der 64jährige als Direktor der „Geostar Corporation“ / USA.
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