Kulturelle Vereinigung vollzieht sich nur langsam

■ Bis sich die »Staatlichen Museen zu Berlin — preußischer Kulturbesitz« an drei Standorten eingerichtet haben, werden noch Jahre vergehen/ Nur erzwungenermaßen gehen die beiden Akademien der Künste aufeinander zu/ Unruhe in der Theaterlandschaft

Berlin. Was Berlins kulturelle Einrichtungen betrifft, wächst das, was einst zusammen gehörte, nur sehr langsam wieder zusammen. Institutionen, die sich durch die deutsche Teilung verdoppelt hatten, tun sich schwer, wieder zu einer Einrichtung zu verschmelzen, auch wenn inzwischen zumindest einiges in Bewegung geraten ist. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum Beispiel hat beschlossen, daß es vom 1. Januar an nur noch die »Staatlichen Museen zu Berlin — preußischer Kulturbesitz« geben soll. Damit ist die Vereinigung der Staatlichen Museen zu Berlin (Ost) und der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, die aus den ehemals staatlichen preußischen Kunstsammlungen hervorgingen, vollzogen.

Bis aber aus den bisher je 14 Museen im Ost- wie im Westteil der Stadt ein Komplex von 17 Museen an drei Standorten geworden ist, werden noch Jahre vergehen. Zunächst wird die Besucherattraktion Nummer eins des Charlottenburger Ägyptischen Museums, die berühmte Königin Nofretete, auf die Museumsinsel übersiedeln und zusammen mit Pergamon-Altar, Ischta-Tor und der Prozessionsstraße nach Babylon zu besichtigen sein. Hauptaufgabe ist die kostenträchtige und schwierige Restaurierung der einzigartigen Museumsinsel. Wegen knapper Kassen allenthalben werden künftig die Museumsbesucher auch im bisher kostenfreien Westteil der Stadt zur Kasse gebeten.

Langsam und erzwungenermaßen gehen auch die beiden Akademien der Künste, einst aus der Preußischen Akademie der Künste hervorgegangen, nun aufeinander zu. Der Präsident der Ost-Akademie, Heiner Müller, hat nach langem Zögern Neuwahlen durchgesetzt, bei denen sich die Zahl der Mitglieder von 120 auf 69 verringerte. Geld aus dem Senatssäckel fließt voraussichtlich nur noch bis Ende Juni. Dann sollen sich die beiden Einrichtungen zu einer Akademie der Künste Berlin-Brandenburg vereinigt haben. Streitpunkt ist der Wahlmodus: Müller lehnt eine »selektive Zuwahl« ab, wie sie bisher in der Westakademie unter Walter Jens üblich ist.

Faktisch aufgelöst ist dagegen schon zum 31. Dezember die Akademie der Wissenschaften der DDR, die seit zwei Jahren beständig schrumpfte. Immerhin war der gesamte Wissenschaftsbereich der DDR personell im Vergleich zum Weststandard vierfach überbesetzt. Der Wissenschaftsrat (Köln) hatte die 72 Institute mit einst über 24.000 Mitarbeitern in einem einmaligen Kraftakt bewertet. 7.000 Wissenschaftler von jetzt noch 17.000 wurden positiv beurteilt und dürfen in Nachfolgeeinrichtungen weiterarbeiten. »Zwei Jahre zur Umstrukturierung der Akademie-Institute waren nicht genug«, meinte kürzlich deren Präsident Horst Klinkmann.

Weit entfernt von einer Vereinigung scheinen die beiden PEN-Zentren. Der neue Präsident des PEN (Ost), Dieter Schlenstedt, sucht andere Möglichkeiten als »die hastige Auflösung wie bei Verbänden, Akademien und Instituten«. Das sah der Berliner Verband Deutscher Schriftsteller (VS) anders. Seine erste gemeinsame Sitzung hatte er bereits im März.

Für Unruhe in der Theaterlandschaft sorgte das von Kultursenator Ulrich Roloff-Momin in Auftrag gegebene Gutachten unter Federführung von Ivan Nagel. Das sogenannte Nagel-Papier legte einschneidende Veränderungen für die Zukunft der rund 30 großen Bühnen fest, die vor allem im Ostteil der Stadt um Besucher kämpfen. Davon besonders betroffen sind die beiden Volksbühnen, das Metropol-Theater und der Friedrichstadtpalast. Die Freie Volksbühne im Westteil wird es 1992 nicht mehr geben. Nach einer Renovierung soll sie als »Theater der Nationen« Heimstatt großer Gastspiele werden. Das östliche Pendant soll zum Herbst unter der Intendanz des Ex-DDR-Regie-Enfant- terribles Frank Castorf ein völlig neues Profil entwickeln.

Das Metropol als Operettenbühne und der Friedrichstadtpalast als Revuetheater sehen nach wie vor einer ungewissen Zukunft entgegen. Ihre Privatisierung ist zwar vom Senator beschlossen, aber noch nicht vollzogen. Ursprünglich zum Jahresende sollte ein Käufer gefunden sein. Interessenten für die Top-Immobilien an der Friedrichstraße gibt es. Aber jemand, der sich in der Lage sieht, den teuren Kulturbetrieb zu sichern, hat sich noch nicht gefunden. Trotz der gesunkenen Zuschauerzahlen allerorten wird 1992 der Theaterbesuch noch teurer. Jutta Lehmer/dpa