Reinrassig müssen sie sein

Ein Gespräch mit dem Gourmet-Koch Edgar Balser  ■ Von Willi Winkler

taz: Herr Balser, es war nicht leicht, Sie für ein Gespräch zu gewinnen. Reden Sie nicht gern über Ihren Beruf, oder haben Sie Angst, daß man Ihnen Berufsgeheimnisse entlockt?

Balser: Das nun bestimmt nicht. ich sage nur, was ich sagen will.

Oder ist es Ihre Spezialität, das Kochen von Hunden? Vielleicht haben Sie ja Angst vor den Tierschützern.

Genau das habe ich befürchtet, daß Sie mir mit Tierschutz und diesem Zeug kommen. Ja, ja, in meinem Restaurant kommen nur Hunde auf den Tisch, reinrassige allerdings nur, da möchte ich schon drauf bestehen. Ich weiß gar nicht, woher dieses empörte Verziehen der Mundwinkel immer kommt: Die Chinesen tun es seit vielen tausend Jahren, die Argentinier haben nichts dagegen, sich von Zeit zu Zeit zur Abwechslung vom ewigen Asado einen delikat zubereiteten Pekinesen auftragen zu lassen.

Oder denken Sie an Jack Londons Lockruf der Wildnis, wo den Goldgräbern nichts anderes übrigbleibt, als sich an die eigenen Hunde zu halten, denn wie hätten sie sonst überleben können.

Nun kommen zu Ihnen nach Niedersachsen ja nicht gerade Hungerleider. Wenn ich mir bei Ihnen so die Preise ansehe, dann dürfen Ihre Gäste auf keinen Fall am Hungertuch nagen.

Qualität hat eben ihren Preis, erst recht dann, wenn das, was ich meinen Gästen bieten kann, so rar und ungewöhnlich ist. Im übrigen finden Sie auf meiner Karte auch Kreationen für den kleineren Geldbeutel. Hackklößchen vom Rottweiler etwa oder Dackelohren in Aspik für 29 respektive 39 Mark. Dazu kann auch der Wochenendvater seine Sprößlinge ausführen, die sich sonst mit Currywurst zufriedengeben.

Wollen Sie denn überhaupt das breite Publikum? Ist es nicht eher so, daß Ihnen Ihr Ruf im kleinen Kreis genügt, die handverlesene Kundschaft mit Geschmack und allerlei Kreditkarten?

Ich will nicht bestreiten, daß ich den Connaisseur brauche. Und natürlich ist es schon so, daß ich Gäste bewirte, die anderswo bereits alles gegessen haben. Ich biete den gewissen Kitzel.

Meine Adresse ist auch heute noch erst wenigen bekannt, aber das international. Der eine reicht mich an den nächsten weiter, der empfiehlt mich in Rom, jener in San Francisco. Geschäftsleute sind ja viel unterwegs.

Sie haben mir erzählt, Sie seien in ganz Europa der einzige, der Hunde kocht...

Nicht kocht! Nein, ich serviere exquisites Fleisch, das ich sorgfältig zubereite. Meine Gäste haben Anspruch auf das Beste.

Wie sind Sie eigentlich auf diese Spezialität verfallen?

Ich habe die normale Ausbildung durchlaufen: Hotelfachschule in Heidelberg, anschließend Kochlehre in Stuttgart. Eine weitere Station war Genf — das Beau Rivage übrigens —, zuletzt das Hamburger Vier Jahreszeiten. Zwischendurch bin ich ein Jahr auf der „Queen Elizabeth“ mitgefahren, und da lernte ich den Sultan von Brunei kennen.

Ach ja.

Wenn ich es Ihnen in aller Bescheidenheit erzählen darf: Der Sultan, der mit einem meiner Gerichte — ich glaube, es war das Rebhuhn, was ihm besonders mundete — so überaus zufrieden war, ließ mich rufen und unterhielt sich länger mit mir. Wir gingen in Brunei an Land; der Sultan und sein Gefolge waren die einzigen, die da von Bord wollten. Allerdings war er Orientale und gastfreundschaftlich genug, die anderen Passagiere zu sich einzuladen. Mich bat er ausdrücklich dazu.

Beim großen Gelage im Sultanspalast gab es etwas zu essen, was ich für Lamm hielt, köstlich zubereitet mit eingeflogenen Kräutern, im eigenen Fett gebraten, in der Soße keine Bindemittel. Obwohl geladener Gast, vermochte ich doch der Versuchung nicht zu widerstehen, und spazierte noch vor dem Dessert (ein Dialog der Früchte: Mango, Weichselkirschen vom Bodensee und türkische Feigen) beiläufig in die Küche, wo ich mich bei einem englisch sprechenden Kollegen nach den kulinarischen Details erkundigte. Zu meinem Entsetzen erfuhr ich, daß es sich bei der orientalischen Köstlichkeit, die ich eben genossen, um Husky handelte. Was ich für Lamm gehalten hatte, war Hund gewesen. Natürlich hatte sich der Sultan den ebenfalls einfliegen lassen.

Damals, in meinen jüngeren Jahren, als ich noch zarter besaitet war, meinte ich, mit Verlaub, mich übergeben zu müssen. Doch der Chefkoch, ein im Dienst richtig fett und rund gewordener, dabei noch junger Mann, beruhigte mich. Wir Araber, sagte er, essen gern Hund. In den Jahrhunderten vor dem Ölreichtum, als wir noch als Nomaden durch die Wüste zogen, sei ihnen oft nichts anderes übriggeblieben, als sich an den begleitenden Tieren schadlos zu halten. Dieses alten Brauchs hätte man sich nach dem plötzlichen Reichtum wieder entsonnen.

Ein schöner Brauch, kann ich inzwischen mit Überzeugung sagen.

Und dann haben Sie sich auf die Hundeküche spezialisiert?

Sie sagen das wieder so angewidert. Aber trösten Sie sich, diese Ablehnung stört mich längst nicht mehr. Ich kann sagen, daß ich stolz bin auf meine Küche. Und meine Gäste wissen, was sie an mir und meiner Küche haben.

Wenn Sie so Ihre Laufbahn überblicken: Was würden Sie als Ihren größten Triumph bezeichnen?

Vor einigen Monaten bestellte ein Herr einen Tisch für drei, im Erker, der nicht vom ganzen Restaurant aus einsehbar ist. Dann erschienen die drei, drei ältere Herren: Helmut Schmidt, Valéry Giscard d'Estaing und ein Dolmetscher. Für sie hatte ich etwas ganz Exquisites vorbereitet; Schmidt, der ja eher von deutscher Hausmannskost eingenommen ist, sollte das gleiche bekommen wie der Gourmet Giscard. In der Küche nannten sie es etwas abfällig „Führer-Geschnetzeltes.

Das wird doch jetzt kein kannibalistisches Ritual.

Wo denken Sie hin, nein, nein. Ich servierte eine echte Spezialität, Deutschen Schäfer.

Und was ist nun das Spezielle an dieser Spezialität?

Der Schäferhund wird lebend in kochendes Wasser geworfen...

Lebendig, im Ernst?

Aber ja, wie Krebs. Davon wird das Fleisch schön zart. Wenn er tot ist — das dauert nicht lang —, wird er abgeschreckt im Eismantel und dann vorsichtig gehäutet. Am besten schmeckt ja, wegen der Vitamine, die zarte Innenhaut. Genießer wissen das. Die Pointe, der besondere Pfiff, die besondere Note kommt dadurch, daß wir den Kopf heil lassen, natürlich ausnehmen und ihn dann, komplett, mit Sauerkirschen oder Schattenmorellen garniert, mit auf den Tisch bringen.

Der Abend wurde ein Ereignis. Die Herren waren dankbare Gäste. Und meines Wissens wurden hier bei uns einige wichtige Details in Europafragen festgeklopft. Helmut Schmidt hat mir eine Woche später ein signiertes Exemplar seiner Menschen und Mächte geschickt.

Wer ist eigentlich Ihr Lieferant? Ein Hundefänger?

Ach was, Sie sind aber ein Banause! Nein, mein Fleisch und meine Hunde kommen nur ganz legal ins Haus, und zwar von ausgewählten Züchtern.

Ich bin das meiner Kundschaft schuldig, daß ich nur reinrassige Tiere mit Stammbaum nehme. Straßenköter und dergleichen kommen für uns nicht in Frage. Wir schützen auch nicht diese merkwürdige Tierliebe vor und behaupten, daß wir sie aus dem Tierheim hätten. Nein, reinrassig müssen sie schon sein.

Und Ihr persönliches Lieblingsgericht? Welches exotische Tier kommt bei Ihnen auf den Tisch, wenn Sie ganz en famille sind?

Ach, wissen Sie, ich habe vor zwei Jahren geheiratet. Meine junge Frau hat mir einen Sohn geschenkt...

...gratuliere...

Dankedanke.

Also, meine Frau ist nämlich Vegetarierin, und sie hat inzwischen auch mich überzeugt. Bei all dem schlechten Fleisch, das es heutzutage gibt, wo man nie weiß, was hineingemengt und gemahlen wurde, gespritzt und alles. Also, ich bin überzeugter Vegetarier, verstehen Sie?