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Portugal für Interessen des Südens

Seit gestern hat Lissabon den Ratsvorsitz der EG/ Zurückhaltung gegenüber Ost-Erweiterung/ Interesse an Hilfsfonds für ärmere EG-Mitglieder/ Annäherung an Spanien  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Ausgerechnet das südwestlichste Land der Europäischen Gemeinschaft, Portugal, hat gestern für ein halbes Jahr den EG-Vorsitz übernommen und wird sich bemühen müssen, die Krisen an den östlichen Rändern der Gemeinschaft mit mehr Erfolg zu beeinflussen, als das unter dem Mandat der Holländer der Fall war.

Die Möglichkeiten der EG, befriedend in Jugoslawien zu wirken, werden in Lissabon jedoch skeptisch beurteilt. Auch in der Frage der EG- Erweiterung in Richtung Osten wird Portugal eher bremsen — nicht zuletzt aus Eigeninteresse. Die Ereignisse in Osteuropa haben die iberische Halbinsel bereits politisch zur Peripherie werden lassen. Eine schnelle Ost-Erweiterung würde darüber hinaus auch noch finanzielle Hilfen abziehen und den neuen Mitgliedern zuleiten. Eine solche Verminderung der EG-Leistungen jedoch muß die portugiesische Regierung verhindern. Seit seinem Beitritt zur EG 1986 war das Land „Nettoverdiener“ der Gemeinschaft, flossen mehr Gelder aus Brüssel nach Lissabon als umgekehrt. Genau wie in Spanien auch investierte die EG in Verbesserungen der Infrastruktur — vor allem in den Autobahnbau. Private Investitionen in Industrie und Tourismus wurden durch die EG- Gelder gefördert, Berufsbildungsprogramme finanziert, die landwirtschaftliche Produktivität gefördert... Viele dieser Maßnahmen waren nicht nur unökologisch, sondern fütterten darüber hinaus auch die Großen im Geschäft, anstatt den Kleinbetrieben, die die Mehrheit stellen, Alternativen zu eröffnen. Hintergrund: Die Großen schufen zahlreiche Arbeitsplätze und trugen zu einem Wirtschaftswachstum bei, das seit Jahren den Durchschnittssatz der EG um mehrere Prozentpunkte übersteigt. Zu verhindern, daß dieser Mannafluß aus Brüssel schnell zu einem Rinnsal verkäme, war denn auch eines der Hauptziele Portugals auf dem Gipfel von Maastricht.

Die in Maastricht eingegangene Verpflichtung der EG, einen Fonds für die wirtschaftlich schwächeren Mitglieder einzurichten, wurde zwar dem spanischen Premierminister Gonzalez zugeschrieben, doch haben die gemeinsamen Interessen in diesem Punkt zu einer politischen Annäherung der beiden iberischen Länder geführt. Angesichts der Umwälzungen in Osteuropa werden beide Länder während des portugiesischen Vorsitzes wohl die Interessen des Südens, des Mittelmeerraums und der Beziehungen sowohl zu den Mittelmeeranrainern als auch zu Afrika und Lateinamerika zu wahren versuchen.

Traditionell wird der Ratsvorsitz kleiner Länder in der EG eher als Übergangsperiode zum Vorsitz eines größeren Landes betrachtet — und auf Portugal wird Großbritannien folgen. Daß es dem just im Oktober in seinem Amt bestätigten Premierminister Anibal Cavaco Silva gelingen wird, die in Maastricht angepeilten Pflöcke deutlich weiter einzuschlagen, muß zumindest in einigen Punkten bezweifelt werden: In der Frage des Verhältnisses zwischen der Westeuropäischen Union und der EG und der Nato hat sich die portugiesische Regierung bislang eher zurückhaltend gezeigt, und auch die Ausarbeitung der neuen EG-Verträge dürfte mehr Zeit in Anspruch nehmen. Doch eins sollte auf dem Gipfel im Juni in Lissabon auf dem Tisch liegen: der Plan über die künftige Finanzierung der Gemeinschaft. Den überlassen die Portugiesen lieber nicht John Major.

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