Holzschutz schützt nicht vorm Kadi

OLG Frankfurt: Zusammenhang zwischen Holzschutzmitteln und Vergiftung „hinreichend wahrscheinlich“  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Manchmal mahlen Justizias Mühlen nicht nur langsam, sondern auch beharrlich. Das Oberlandgericht Frankfurt hat jetzt beschlossen, daß sich zwei Geschäftsführer der Düsseldorfer Holzschutzmittel-Firma DESOWAG doch wegen gefährlicher Körperverletzung und „schwerer Gefährdung durch Freisetzung von Giften“ verantworten müssen (Az.: 1 Ws 206/90). Noch 1990 hatte die Umwelt-Strafkammer des Frankfurter Landgerichts eine Prozeßeröffnung abgelehnt. Der Vorwurf: Die Manager Kurt Steinberg und Fritz Hagedorn sollen die Vergiftung ihrer Kunden jahrelang wider besseres Wissen in Kauf genommen haben. Immunerkrankungen, Herzrhythmusstörungen — bis zum Krebsverdacht reicht die Palette. In den auch für Innenanstriche empfohlenen Holzschutzmitteln Xylamon und Xyladecor waren das krebsverdächtige Pentachlorphenol (PCP) sowie Lindan und Lösungsmittel enthalten. Die Gefährlichkeit des Giftcocktails sei spätestens seit 1979 bekannt gewesen. PCP ist inzwischen vollständig verboten. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hatte nach Anzeigen von insgesamt 2.100 Betroffenen seit 1984 belastendes Material gegen die Holzschutzmittelfirmen zusammengetragen. Währenddessen, so die Staatsanwälte, hätten die ehemalige Bayer- Tochter DESOWAG und andere Firmen versucht, die Gutachterlandschaft zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Sie erstellten eine Liste mit Gutachtern, die Holzschutzmittel unbedenklich fanden (positiv), und Kritikern der Holzschutzmittel (negativ).

Zunächst mit Erfolg: Im Zweifel für den Angeklagten, verkündete die Frankfurter Umweltstrafkammer den verblüfften Giftopfern im August 1990. Ihnen sei auch ohne Verhandlung klar geworden, daß eine Ursache-Folge-Kausalkette für die Vergiftungen „nicht mit der für eine strafrechtliche Verurteilung zu fordernden Sicherheit zu erbringen“ sein würde.

Angesichts der damaligen Argumentation kommt der jetzige Beschluß des OLG einer schallenden Ohrfeige für die ängstlichen Frankfurter Umwelt-Richter gleich. Der OLG-Senat befand nämlich, es sei „hinreichend wahrscheinlich“, daß in einem solchen Prozeß ein Zusammenhang zwischen der Verwendung der Holzschutzmittel und bestimmten Erkrankungen von zahlreichen Geschädigten nachzuweisen sein werde. Und dann ordnete der OLG- Senat an, daß sich die Umweltrichter doch mit dem Fall befassen müssen.