Gnadenfrist für DT64 — Aus für DFF

Vorläufig darf das Ostberliner Jugendradio im Rahmen des Brandenburger Rundfunks ODR und des MDR weitersenden/ Beim Deutschen Fernsehfunk (DFF) gingen zu Silvester dagegen die Lichter aus  ■ Von Sabine Jaspers

Berlin (taz) — Eins haben Twin Peaks und die Rundfunksender der neuen Bundesländer gemeinsam: Wer eine Fortsetzung ihrer verschlungenen Geschichte verpaßt hat, kann leicht den Faden verlieren. Und das, obwohl pünktlich zum Jahreswechsel eigentlich alles klar und die Abschiedsbonmots gesprochen sein sollten. Doch bei DT64 verlief nicht alles nach Chefabwickler Mühlfenzls Plan, denn für das Jugendradio schlug in der Silvesternacht nicht das letzte Stündlein. Jetzt gibt's für DT64 erst mal Verlängerung, auch wenn man noch lange nicht von einem Happy End sprechen darf.

Was bisher geschah: Fast bis zur letzten Minute hatte man über das Schicksal des Senders verhandelt, wußten die MitarbeiterInnen nicht, ob ihnen Weihnachten Kündigung oder Arbeitsvertrag bescheren würde, rannte Chefredakteur Michael Schiewack durch die Redaktionsräume, um zu fragen, wer weitermacht, wenn es weitergeht.

Erst am Silvesternachmittag einigten sich die Intendanten des MDR Udo Reiter und des ODR Hans-Jürgen Rosenbauer auf Kooperation in der Angelegenheit und räumten DT64 eine Schonfrist ein. Rosenbauer erklärte sich einverstanden, dem Jugendradio bis Ende Januar seine bisherige UKW-Frequenz in Brandenburg zu belassen, nachdem Reiter seine Zusage bekräftigt hatte, DT 64 eine halbes Jahr lang unter das Dach des MDR zu übernehmen. Das eigenproduzierte Jugendprogramm Rockradio B — das der ORB als Ersatz für DT 64 längst geplant hatte — soll innerhalb des DT64-Programms drei Stunden täglich gesendet werden, so daß es künftig auch in MDR- Reichweite zu hören sein wird.

Das bedeutet für die Fans der Jugendwelle, daß sie in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin ihrem Lieblingssender weiter lauschen können. Grund zur Trauer haben nur die, die in Mecklenburg-Vorpommern das Radio einschalten: Diesen Raum seines ursprünglichen Sendegebiets hat das Jugendradio verloren, da es dem NDR angeschlossen sein wird. Die Aktivitäten der Freundekreise zur Unterstützung von DT 64 sind noch längst nicht überflüssig geworden. Bis Januar soll der Berliner Kabelrat über eine längerfristige Fortsetzung von DT 64 als gemeinsames Jugendprogramm von MDR und ORB sowie des SFB entscheiden.

Was ist sonst noch vom einstigen Staatsrundfunk der Ex-DDR übrig geblieben? DS Kultur, der aus der früheren Stimme der DDR hervorging, wird gemeinsam mit dem Berliner Rias und dem Deutschlandfunk in einem nationalen Hörfunk unter dem Dach von ARD und ZDF aufgehen. Der Berliner Rundfunk hat privaten Unterschlupf gefunden. Unter dem Namen „Neue Berliner Rundfunk GmbH und Co KG“ gehören neben der Kölner DuMont-Verlagsgruppe die Verlage der Potsdamer 'Märkischen Allgemeinen Zeitung‘ und der 'Märkischen Oderzeitung‘ aus Frankfurt/Oder an.

Dagegen guckte man beim Deutschen Fernsehfunk (DFF) in die Röhre. Hier gingen in in der Silvesternacht endgültig die Lichter aus. Schon um 21.20 Uhr überreichte ein Moderator West seiner Kollegin Ost Blumen „für die fleißigen Mitarbeiter“ — und die reichte sie weiter „an unser Publikum“. Darauf er — „Ja, das, war's.“ Die letzten zweieinhalb Stunden Sendezeit waren für die Show-Konserve Auf ein Neues reserviert. DFF-Intendant Michael Albrecht verabschiedete sich tränenden Auges von seines Kollegen im früheren Fernsehzentrum der DDR, Berlin-Adlershof.

Schlag Mitternacht traten Länderrundfunkanstalten des öffentlichen Rechts an die Stelle des DFF und läuteten eines neues Rundfunkzeitalter in Ostdeutschland ein. Zwischen Lachsschnittchen und Schaumwein berichtetete eine ORB-Redakteurin, die auf derselben Silvesterparty wie die Autorin dieses Artikels zugegen war, daß sie noch ein ORB-Programmschema gesehen habe. Auch wenn auf formaler Ebene alles geregelt zu sein scheint, wird im Sendealltag der frischgebackenen Anstalten wohl noch häufig das Chaos regieren. Fortsetzung folgt.

Siehe auch Seite 12