: Beide Kampnagel-Chefs gehen
■ Hamburg: 400.000 Mark mehr für die Winterhuder Kulturfabrik / Künstlerische Leiter: „zu wenig“
Hamburg. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine Lücke von gut drei Millionen Mark: Zuviel für Hans Man in't Feld und Wolfram Kremer, die vor eineinhalb Jahren die künstlerische Leitung der Kampnagelfabrik übernommen hatten. Beide baten den Vorstand des Trägervereins schriftlich um die vorzeitige Auflösung ihrer Verträge.
Der Hintergrund dieser neuesten Theaterkrise ist ein alter. Die - inzwischen international renommierte — Kulturfabrik von Winterhude leidet mal wieder an Geldmangel. Ein Gastspiel des britischen Kultregisseurs Peter Brook (Shakespeares Sturm) sorgte zwar für den Höhepunkt dieser Theatersaison, hinterließ aber ein Defizit, das sich zusammen mit anderen Mindereinnahmen auf eine Summe von 500.000 Mark beläuft.
Ein kalkulierbares Anfangsrisiko, befanden der Trägerverein und sein Vorsitzender, der (noch) amtierende Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Politik, Norbert Aust; die Kultursenatorin schob ihrerseits 400.00 Mark nach: Der Kampnagelzuschuß steigt 1992 von 3,6 auf 4 Millionen.
Aber Man in't Feld und Kremer reicht das nicht. Sie hatten bereits im August die Flucht nach vorn angetreten und ein Finanz- und Spielplankonzept vorgelegt, mit dem sie hofften, die Kampnagelfabrik aus der notorischen Krise herausführen zu können. Erste Erfolge zeichnen sich ab: Die Einnahmen haben sich gegenüber den Vorjahren vervierfacht, doppelt so viele Zuschauer und Zuschauerinnen besuchten die Fabrikhallen mit ihren insgesamt 1.700 Sitzplätzen.
Man in't Feld plante für die nächste Zeit eine ausgewogene Mischung aus Eigenproduktionen freier Hamburger Theatergruppen, eigener Regiearbeit mit freien Schauspielern und Gastspielen. Diese Projekte kosten mindestens fünf Millionen Mark, etwa ebensoviel Geld sollte für Technik und Verwaltung ausgegeben werden: „Ich kann nicht dauernd mit Leuten arbeiten, die überarbeitet und unterbezahlt sind.“
Höchstens vier Millionen Mark hätte die Kampnagelfabrik nach dieser Rechnung an der Kasse und mit anderen Aktivitäten selbst erwirtschaften können, für die Deckungslücke von über drei Millionen Mark hat das Leitungsduo „Signale“ erwartet, so man in't Feld, vor allem aus den Haushaltsberatungen des Senats.
Sie kamen zu schwach. Man in't Feld vergleicht mit andern deutschen Städten: Hamburgs Kampnagelfabrik mit ihren vier Spielstätten muß mit vier Millionen auskommen, das Frankfurter Theater am Turm mit seinem einzigen Saal darf sieben Millionen Mark Steuergeld verbrauchen.
Der Trägerverein hat über den Entlassungswunsch noch nicht entschieden, Man in't Feld noch keinen Termin genannt. Der Rest der Spielzeit ist geplant, ob aber Pina Bausch eingeladen werden kann, ist unsicher geworden. Einige Hausprojekte, darunter eine Eigenregie des Intendanten, sind gestrichen. Die Kultursenatorin, so ihre Sprecherin, bemühe sich darum, die Kampnagelfabrik „baulich und künstlerisch“ zu erhalten, die Personalie allerdings sei „ein Problem des Trägervereins“.
Niklaus Hablützel, taz hh
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