„In jedem steckt ein Clown“

■ Clownschule in Hannover bietet 14monatige harte Ausbildung zum Witzbold

Nichts ist so schwer, wie die Menschen zum Lachen zu bringen. Waren die Clowns früher Sprößlinge großer Zirkus-Familien oder Autodidakten, so kann man jetzt die hohe Kunst der Clownerie unter professioneller Anleitung erlernen. Die Clownschule in Hannover bietet einen bisher einmaligen Kursus an, in dem Clownlehrer Dieter Bartels und eine Handvoll weiterer Dozenten 14 Schüler zwölf Monate lang fit machen wollen für einen Beruf, in dem es an qualifizierten Kräften mangelt.

„Besonders die großen Zirkusse suchen gute Clowns“, meint Bartels. Wer etwas kann, komme immer unter. Die Rolle des Clowns im Zirkus habe sich radikal geändert, er sei nicht mehr Pausenfüller, sondern die wichtigste Nummer im Programm. „Mit Elefanten und springenden Tigern lockt man niemanden mehr in den Zirkus. Aber psychologisch ausgefeilte Clownereien sind es, die die Menschen neugierig machen.“ Der 36jährige muß es wissen, er steht in Kontakt mit den berühmtesten Kollegen seines Fachs. Einer von ihnen, der frühere Roncalli-Spaßmacher Peter Shub, ist Dozent in Bartels' Lehrerkollegium.

„In jedem steckt ein Clown“, heißt das Motto der Clownschule. Ein paar Einschränkungen macht Bartels dennoch für die Aspiranten seines Kurses: Körperliche Fitness ist Voraussetzung, da nach wie vor auch ein Schuß Artistik zum Clown-Beruf gehört. Auch eine gehörige Portion Ich- Stärke, denn Bartels' Schüler müssen es aushalten können, daß man über sie lacht. Und noch etwas ist entscheidend: Ernsthaftigkeit. Bartels erläutert: „Die Arbeit an sich ist hart, kein Jux. Im theoretischen Gespräch muß man ganz ernsthaft analysieren, warum man dies oder jenes in seinem Programm macht. Albernheit ist der Tod eines jeden Clowns. Uns geht es darum, Banalität anspruchsvoll zu machen. Das ist so schwierig, daß man es seriös anpacken muß.“

Voraussetzung für die einjährige Ausbildung ist die Teilnahme an einem einführenden Seminar. Stammtischkomiker sollen dabei ausgesiebt werden. Mit Workshops dieser Art hatte es auch angefangen. Seit Jahren gibt Bartels derartige Clown-Kurse von einigen Tagen Dauer, bei denen er feststellte, daß die Nachfrage gewaltig ist. Daraus erwuchs die Idee, eine Schule zu eröffnen. „Die Clown-Interessierten kommen aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten. Sie sind auf der Suche nach verborgenen Talenten und wollen wissen, was in ihnen steckt.“

Die ersten drei Monate werden die härtesten der Clown-Ausbildung, verspricht Bartels. „Es geht um Selbstfindung, um Selbstbeobachtung — und ums Probieren. Jeder muß individuell für sich feststellen, welcher Clowntyp er ist: der Trauernde, der Träumer, der am Weltschmerz Leidende oder der Witzige. Wenn das feststeht, beginnt die Arbeit an dem Meisterstück, mit dem die Ausbildung abschließt: eine kleine Aufführung, in der der Schüler seine Fähigkeiten unter Beweis stellt.“ Das Publikum ist von Anfang an mit dabei, in Werkstattinszenierungen und bei Straßentheatern.

Wenn alles gut geht, werden 1993 die ersten geschulten Clowns die hannoversche Schule verlassen. Die Welt wird dann ein wenig reicher sein an banalen, psychologisch einfach konstruierten Figuren, die die Gefühle des Zuschauers repräsentativ ausleben. Der Clown als gesellschaftliches Ventil? „Warum nicht“, sagt Bartels, „wenn wir diese Funktion erfüllen könnten, hätten wir das höchste Ziel unseres Berufs erreicht“. Andre Uzulis (dpa)