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Israelische Siedler erhalten Millionen

■ Regierungskrise scheinbar beigelegt: Die Schamir-Regierung gewährt den Orthodoxen weitreichende Zugeständnisse/ 240 Millionen Schekel für 5.000 neue Wohnungen in besetzten Gebieten

Tel Aviv (taz) — Das israelische Parlament hat gestern abschließend über den Haushalt für das Jahr 1992 beraten. Die Verabschiedung des Etats in Höhe von 108 Milliarden Schekel schien gesichert, nachdem in der Nacht zuvor der drohende Bruch innerhalb der Koalitionsregierung von Ministerpräsident Jizchak Schamir abgewendet werden konnte. Dabei ging es um einen Streit zwischen zwei religiösen Parteien — den Nationalreligiösen und der orthodoxen Schass. Die Nationalreligiösen hatten gedroht, nicht mit der Koalition zu stimmen, damit die Annahme des neuen Staatshaushalts zu verhindern und die Regierung Schamir zu stürzen. Der Konflikt verdeutlichte, wie brüchig die Allianz aus sieben Parteien ist.

Staatspräsident Herzog bedauerte, daß „die Knesset nicht mehr in der Lage zu sein scheint, die Differenzen zwischen den Fraktionen zu lösen. Ohne Staatshaushalt kann die Regierung nicht funktionieren.“ In letzter Minute waren den orthodox- religiösen Parteien noch weitere 125 Millionen Schekel zugesprochen worden. Über weitere 120 Millionen Schekel, die die Orthodoxen verlangen, soll in Verhandlungen mit dem Finanzminister separat entschieden werden.

Vor allem erhielten jedoch die Siedler eine zusätzliche Summe von 420 Millionen Schekel. Rechtsgerichteten Gruppierungen, die vehement gegen die Nahost-Friedensgespräche sind, wurde zudem zugesagt, daß 5.000 neue Wohnungen, die ursprünglich im Negev und im Galil für Neueinwanderer gebaut werden sollten, nun in den besetzten Gebieten errichtet werden sollen. Das entspricht einem Drittel der gesamten Bauvorhaben der Regierung.

Die USA hatten Israel aufgefordert, den Siedlungsbau im Westjordanland, Gaza-Streifen und auf den annektierten Golanhöhen während der Friedensgespräche einzustellen. Eine Kreditgarantie über zehn Milliarden Dollar in den nächsten fünf Jahren war von der Beilegung dieses Streits abhängig gemacht worden. Dessen ungeachtet sind im israelischen Haushalt für 1992 zwei Milliarden Dollar dieser US-Kredite schon fest eingeplant.

Unterdessen wurde gestern bekanntgegeben, daß im Laufe des Jahres 1991 die Anzahl der Arbeitslosen in Israel um mindestens 20 Prozent gestiegen ist und nun insgesamt über 200.000 Menschen umfaßt. Die Mehrzahl der 35.000 „neuen“ Arbeitslosen setzt sich aus Neueinwanderern zusammen, die seit Anfang 1990 in Israel eingetroffen sind. Zum Jahresende wurde die Arbeitslosenrate mit 10,3 Prozent beziffert. Der Finanzminister prognostiziert für das nächste Jahr sogar 13 Prozent.

Siedler errichten neues Viertel im Gaza-Streifen

Israelische Siedler im besetzten Gaza-Streifen haben am Donnerstag vormittag ein neues Viertel in der jüdischen Siedlung Kfar Darom errichtet. Ein Bewohner dieser Ortschaft war am Vortag von einem Unbekannten auf offener Straße erschossen worden. Wie das Militärradio am Donnerstag meldete, hatten die israelischen Militärbehörden grünes Licht für die Erweiterung der Siedlung gegeben. Den Angaben zufolge stellten 50 Bewohner von Kfar Darom und anderen jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen am Morgen drei Wohnmobile nahe einer außer Betrieb befindlichen Bahnstation auf.

Innerhalb des Bahnhofgebäudes begannen sie Wiederinstandsetzungsarbeiten. Da sich die Station ursprünglich außerhalb des Siedlungsgebietes befand, wurde dies um einen 50 Meter breiten Streifen erweitert. Am Mittwoch war ein israelischer Siedler an einer Straßenkreuzung nahe dem Flüchtlingslager Deir el Balah südlich der Stadt Gaza mit einer automatischen Waffe erschossen worden. Die Armee verhängte daraufhin eine Ausgangssperre über das Flüchtlingslager und durchsuchte das Camp nach den Attentätern.

Es handelte sich um den ersten Zivilbürger, der seit Beginn des Palästinenser-Aufstands in den besetzten Gebieten im Gaza-Streifen getötet wurde. Amos Wollin

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