Karibik gebucht, CD geleast

■ Die neue Mode: Compact-Discs ausleihen / Über einen Existenzgründer im Steintor

Eine der gefragten und robusten LeihscheibenFoto: Jörg Oberheide

Der Anblick täuscht vielleicht: Nicht weniger als 1.600 CD's warten in den Regalen auf ihre MieterInnen. Der einzige Laden Bremens, der die kleinen Glitzerscheiben nur ausleiht und sonst gar nichts, hat vor drei Monaten Vor dem Steintor 27 eröffnet. Ein klarer Fall von Existenzgrün

hier die cd hin

dung: Jörg Wegener, 30-jährig und Sportstudent, hat die „kleine Marktlücke“ in Bremen ausgemacht — und geschlossen. Die Ladenregale, mit einem Architekturstudenten-Freund kontruiert und mit Familienhilfe aufgebaut, haben den Spanplatten- Charme des kostenbewußten ge

schäftlichen Anfangs. Außerdem gibt es noch ein paar Poster von Rock- und Popgrößen mit dem Mikro vor den Lippen, dazu einige schräg an die Tapete gepinnte Plattencover.

Und einen Computer. Darin verwahrt Jörg Wegener seine Schätze: die Titel seiner CD's und die Daten seiner Kunden. Schließlich ist sein Geschäft Vertrauenssache: Die CD's, das Stück zu knapp 30 Mark, werden für nur 3 Mark Tagesmiete ausgeliehen. Da landen Name und Adresse der KundIn sicherheitshalber in der Datei. Wer die Disc nicht vertragsgemäß zurückgibt und auf Mahnungen nicht reagiert, bekommt es mit Jörg Wegeners Anwalt zu tun. Einmal geschah das in den ersten drei Geschäfts-Monaten, in der letzten Woche gleich viermal.

Warum leihen Menschen Discs aus? Weil sie zum Beispiel eine Party geben, weshalb das Geschäft um Wochenenden herum und auf Silvester ziemlich brummte. Oder weil sie vor dem 30-Marks-Kauf in Ruhe reinhören wollen. Und weil sie neue Titel billig auf Cassette aufnehmen? Jörg Wegener: „Das ist verboten!“ Wer ausleiht, unterschreibt ein Vertrags-Formular, daß er oder sie die „Mietsache“ nicht kopiert und sich durch die Mieterei „nicht vom Kauf abhalten“ läßt. Der Rest ist Privatsache.

Woher weiß Wegener, welche Titel gehen? Rund 3.000 Mark will er monatlich für Neuanschaffungen ausgeben. Die kauft er beim Bremer Einzel- und Großhandel, fabrikneu, und orientiert sich an den Charts, an den Verkaufshits von Plattenläden, an besonders nachgefragten Stücken im Independent- und Jazz-Bereich, die in den Charts nicht vorkommen. Der Laden-Standort, meint Wegener, spielt eine wichtige Rolle: „Hier im Ostertor und Steintor wird zu meiner Überraschung auch viel Jazz und Klassik nachgefragt. In der Neustadt würde vermutlich Heavy Metal besser gehen.“ Klassik, zunächst überhaupt nicht im Programm, hat jetzt schon 80 Titel, zumeist Evergreens von Chopin und Bach.

Rund 60 KundInnen kommen täglich, Tendenz steigend, die meisten davon sind Männer. Am stärksten gefragt sind die aktuellen Neuheiten. Genesis' We can't dance zum Beispiel ist fünffach verliehen, Simply Red vierfach. Und als Barbara Tompson in der Schauburg gastierte, stieg die Nachfrage sofort.

Mit einer 70-Stunden-Woche und zwei Aushilfen schmeißt Jörg Wegener seinen Laden. Warum ausgerechnet ein CD-Verleih? „Musik hat doch jeder im Blut, ob Versicherungs-Vertreter oder Sportstudent!“

S.P.