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Aufmüpfige Inspektoren im Kunstnebel

■ Nachts, wenn es dunkel wird und regnet/ Retrospektive deutscher Wallace-Verfilmungen im Sputnik Wedding

Was haben Karin Baal und Klaus Kinski, Ingrid Steger und Heinz Drache gemeinsam? Ihren Auftritt in der zwischen 1959 und 1972 von Horst Wendlandt produzierten Reihe von Edgar-Wallace-Verfilmungen. Zunächst beim Compagnon Rialto- Film in Kopenhagen, später in Berlin schickte der Serientäter die Creme des alten deutschen Films durch kunstnebelverhangene Kulissen, um den Kosmos des englischen Kriminalschriftstellers in Szene zu setzen.

Während man wie beim Frosch mit der Maske (1959) die Romane von Edgar Wallace zunächst nur adaptierte, wurde später nur der Titel übernommen und die Geschichte »Frei nach...« erzählt. Der Seriencharakter der insgesamt 32, vom schwarzweißen Normal auf Cinemascope-Format anschwellenden Streifen ist nicht zu übersehen. Die dickenshafte Kulisse von Soho, verrauchte Themse-Spelunken und Kanalisation inklusive, blieb wie die Requisite durch die Jahre so gleich wie die Charaktere.

Besonderer Beliebtheit erfreute sich die Geschichte vom aufmüpfigen Inspektor, verkörpert meist durch Joachim Fuchsberger, und der Erbengemeinschaft, die im Lauf von 90 Minuten auf wenige Mordverdächtige zusammenschrumpft. Unerläßlich für die richtige Mischung des Nachkriegs-Thrills war zudem eine junge Millionärin, ein gefallenes Mädchen und der gemütliche Scotland-Yard-Chef Sir John.

Für Nebendarsteller wurde die fürs Kino gemachte Serie zum Karriere-Sprungbrett. Als Butler, Polizeifotograf und Assistent sorgte Eddi Arendt — Blödmann vom Dienst — zwischen den spannenden Szenen für Unterhaltung. Klaus Kinski war zuständig für das Böse. Unbarmherzig, hysterisch und verschlagen, war er von vornherein verdächtig, um mit der Maschinenpistole in der Hand tot im Kronleuchter zu enden.

Als Filmerlebnis sind die Wallace-Adaptionen wie Achterbahnfahren. Darstellerisch streng passatisch (gut und bös, wie stur geht dös) werden den selbstbewußt Briten mimenden Deutschlingen bereits buttgereitsche Splatter-Morde zugesellt. Blut gab es bei den rund 300 fantasievoll inszenierten Abgängen von Skorpionbiß bis zur Mühlradmarter allerdings nicht zu sehen.

Schnell gemachte und live eingespielte Auftragswerke der Filmkomponisten Peter Thomas (Raumpatrouille) und Martin Böttger (Winnetou) machen das Ganze dagegen erst schön. Dramatisches Gebläse und Frauenschreie wetteifern mit dem Echobass und schreiender Orgel, um unvermittelt harmloser Beatmusik zu weichen.

Das Sputnik Wedding zeigt zunächst bis zum 23. Januar eine Retrospektive der bejahrten Wendlandt- Filme. »Das Ganze«, bemerkt der Oberhausener Manifester Joe Hembus, »wurde mit dem selbstironischen Stolz dessen serviert, dem es gelungen ist, in seinem preußischen Schrebergarten Bananen zu züchten, die man auch tatsächlich zu sich nehmen kann, ohne daß es einem schlecht wird.« Hoffentlich haben Sputniks Agenten bei der Recherche im Fundus deutscher Nachkriegsunterhaltung diesmal bessere Kopien als bei der aufgeblasenen Fernsehfassung von Schirm, Charme und Melone gefunden. Stefan Gerhard

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