Mehr Macht für den Regierenden?

■ Regierende Bürgermeister soll Senatoren selbst ernennen und feuern dürfen / CDU und SPD-Fraktionschef Staffelt unterstützen Vorstoß von SPD-Chef Momper / Grüne: »Entsetzliche Idee«

Berlin. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen darf sich, so er bei der nächsten Wahl wiedergewählt wird, Hoffnungen auf einen Machtzuwachs machen. Der ehemalige Regierende Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzende Walter Momper trat gestern mit der Forderung auf, dem Regierenden Bürgermeister per Verfassungsänderung mit der sogenannten »Richtlinienkompetenz« auszustatten, die ihm das Recht geben würde, seine Senatoren nach Belieben zu heuern und zu feuern. Nach geltendem Recht werden die Senatoren vom Abgeordnetenhaus gewählt.

Mompers Vorschlag wurde bei den Koalitionsfraktionen von CDU und SPD verhalten positiv aufgenommen. Nicht nur der CDU-Abgeordnete Klaus Finkelnburg, sondern auch SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt signalisierte Zustimmung. »Im Prinzip halte ich das für richtig«, sagte Staffelt zur taz. »Zufälligkeiten« bei der Wahl von Senatoren könnten dadurch ausgeschlossen werden. Eberhard Diepgen hatte schon während seiner früheren Amtszeit die Richtlinienkompetenz verlangt, war damit jedoch in der eigenen Partei nicht durchgedrungen. Diepgen stehe zu der Forderung, sagte Senatssprecher Eduard Heußen. Vorrang habe im Moment aber die Vereinigung mit Brandenburg. Sie würde für die Berliner Stadtverfassung neue Randbedingungen schaffen.

Die Verfassungsdebatte, die Momper mit seinem Vorstoß lostritt, kommt gerade im rechten Moment. In den nächsten Wochen will das Abgeordnetenhaus eine Enquetekommission zur Verfassungs- und Parlamentsreform einsetzen. Bei der Opposition stieß Mompers Vorschlag allerdings auf Kritik. In bewegten Zeiten wie diesen gewinne die Exekutive ohnehin rasch ein Übergewicht über die Legislative, analysierte die grüne Fraktionschefin Renate Künast. Den Senatschef weiter zu stärken, wäre »entsetzlich und grundsätzlich falsch«.

In der Enquetekommission, deren Einsetzung das Parlament beschlossen hatte, um über Konsequenzen aus der Vereinigung der beiden Stadthälften zu beraten, liegen Künast andere Schwerpunkte mehr am Herzen. Sie will »die Privilegien der Parteien ankratzen« und die Rechte von Bürgern und Basisbewegungen stärken, etwa durch Volksentscheide und ein Anhörungsrecht für »nichtparlamentarische Gruppen«. Auch in der FDP-Fraktion diskutieren die Abgeordneten zur Zeit, so Sprecher Jürgen Just, ob sie mehr »plebiszitäre Elemente« fordern sollen.

Mit der gültigen Verfassung »im großen und ganzen zufrieden« ist dagegen die CDU-Fraktion. Vorrang müsse im Moment ohnehin die Fusion mit Brandenburg haben, meint Finkelnburg. Wenn die Vereinigung verwirklicht werde, stelle sich die Verfassungsfrage völlig neu, da sei er sich mit Diepgen einig. Derzeit sei es »wichtiger, Arbeitsplätze zu schaffen, als über ein Grundrecht auf Arbeit zu diskutieren, das man nicht verwirklichen kann«. Kein Wunder, daß es die CDU-Fraktion ist, an der die Einsetzung der Enquetekommission vorerst scheitert. Im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen haben die Christdemokraten noch nicht ihre Mitglieder benannt. »Das liegt nicht daran, daß wir nicht wollen«, versichert Fraktionsgeschäftsführer Klaus Rettel. Die zuständigen CDU- Arbeitskreise hätten bereits eine Liste vorgelegt. Die Fraktion habe daran aber »nicht so wahnsinnig viel Gefallen« gefunden. Vor allem der Anteil von Nicht-Parlamentariern erscheine ihr als zu gering. hmt