Marketing-trächtiges Gruseln

Hamburg (taz) — Für Gerhard Konzelmann, Medienkassandra in Sachen Islam, hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. Nachdem Meldungen über seine unseriöse Arbeitsweise in immer neuen Wellen durch Zeitungen und Fernsehillustrierte schwappten, strich die ARD den Altmeister ihrer Nahost- Experten jetzt stillschweigend aus der Korrespondentenliste.

Konzelmann wird seitens des Hamburger Orientalistikprofessors Gernot Rotter vorgeworfen, mindestens drei Bestseller nahezu flächendeckend aus den Werken lebender und verstorbener Orientalisten abgekupfert zu haben. Zu Beginn des Rechtsstreits hatte der Plagiator, der seinen Lesern gegenüber vorgibt, in arabischen „Museen und Archiven“ und sogar in — gar nicht existenten — „Kanzeleien des Propheten“ zu recherchieren, seiner Hauptquelle Rotter telefonisch vorgeschlagen, die Sache doch „unter Männern“ zu regeln. Überraschend und kommentarlos überwies der inkriminierte Vielschreiber jetzt 30.000 DM. Rotter jedoch will sich mit diesem „Bestechungsversuch“ nicht zufriedengeben, sondern besteht darauf, daß Konzelmann seine Einnahmen offenlegt und ihm den rechtmäßig zustehenden Anteil zahlt.

Zudem hat der Orientalist in seinem Hamburger Institut eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die auch Konzelmanns Kollegen Peter Scholl-Latour unter die Lupe nimmt. Der Initiative, kurz „Konzeltour“ genannt, geht es nicht etwa darum, „historische Ungereimtheiten, Verdrehungen und Übertreibungen“ als „Blödsinn“ zu entlarven. Weit schwerwiegender sind nach Ansicht der MitarbeiterInnen die „tendenziös-rassistischen Unterstellungen“, mit denen die beiden Publikumslieblinge systematisch den Aufbau eines „Feindbild Muslim“ fördern.

Aktuellstes Beispiel ist die Scholl- Latour-Serie Den Gottlosen die Hölle, die das ZDF im Dezember ausstrahlte. Mit seiner Botschaft vom „Tartarensturm“, der sich „unaufhaltsam“ aus den „unendlichen Weiten der asiatischen Sowjetrepubliken“ auf den europäischen Kern des altersschwachen Sowjetimperiums zubewegt, reduziert der ehemalige Fremdenlegionär Scholl-Latour komplexe politische Vorgänge auf den zeitlos-mythischen Zweikampf zwischen christlichem Abendland und islamischem Orient. „Dieses simple Strickmuster ist typisch für Scholl-Latour“, konstatieren die Hamburger. „Während wir hierzulande Solidarität mit Ausländern bekunden sollten, sorgt er dafür, daß der Orient weiterhin bedrohlich, fremd und unverständlich bleibt. Angesicht der scheinbar unvermeidlich heranrückenden Gefahr läßt marketing-trächtiges Gruseln das saisonbedingt weiche deutsche Gemüt erschauern“, heißt es in einer Erklärung des Hamburger Instituts. Verena Klemm