INTERVIEW
: „Mazedonien setzt auf Europa“

■ Der mazedonische Spitzenpolitiker Vasil Tupurkovski will EG-Forderungen erfüllen

Vasil Tupurkovski ist noch immer der mazedonische Vertreter im jugoslawischen Staatspräsidium, deren acht Mitglieder eigentlich nach der immer noch geltenden Verfassung die höchste Staatsfunktion, die „kollektive Präsidentschaft“ ausüben. So wenig der Kroate Stipe Mesic seine Funktion als Staatsoberhaupt wahrnehmen konnte, so auch Tupurkovski, der seit dem Auflösungsprozeß des Vielvölkerstaates als der eigentliche Außenminister Jugoslawiens galt und der die ersten Friedensverhandlungen mit der EG im Juli auf der Adriainsel Brioni einfädelte. Doch schon seit Oktober befindet sich Mazedonien auf Unabhängigkeitskurs, was von den Nachbarn Griechenland und Bulgarien mit Mißtrauen gesehen wird, da dort erhebliche mazedonische Minderheiten leben. Am 6.Januar will das Parlament in Skopje einen Verzicht auf Gebietsansprüche gegenüber den Nachbarländern in seine Verfassung verankern.

taz: Auch Sie haben Ihren Traum von einem konföderativen jugoslawischen Staatenbund aufgegeben und setzen nun auf einen eigenen mazedonischen Staat. Doch schon der Name „Mazedonien“ weckt gemischte Gefühle...

Vasil Tupurkovski: Das sehe ich ganz anders. Die EG- Staaten haben bereits mehrheitlich erklärt, daß sie einen neuen Staat Mazedonien auf dem Balkan anerkennen werden.

So sicher scheint dies aber nicht zu sein. In der EG- Resolution vom 16.12. werden alle Republiken Jugoslawiens aufgefordert, einen Antrag bei der EG zu stellen, als neue Staaten anerkannt zu werden. Mit Blick auf ihre Republik heißt es da, daß der „Gebrauch einer Bezeichnung, aus der sich territoriale Ansprüche ergeben könnten“ ausgeschlossen werden müsse. Damit ist nicht nur für Griechenland Mazedonien gemeint, ein Name der nun zweimal auf Europas Landkarte erscheint. Der Norden Griechenlands trägt die Bezeichnung Mazedonien seit altersher und nun soll auch noch ein mazedonischer Staat entstehen? Da sind doch Bedenken verständlich.

In der Tat drängt Griechenland darauf, daß wir uns einen anderen Staatsnamen zulegen. Aber ich versichere Ihnen, Mazedonien wird sich keinen anderen Namen geben. Das verlangt außer Griechenland auch gar niemand von uns in Europa. Auch wenn Athen das Volk der Mazedonier negiert, so gibt es uns. Ich war ja selbst bei den Verhandlungen in Brüssel dabei und ich hörte von allen europäischen Diplomaten, sie werden Mazedonien als neuen Staat anerkennen, da er alle Richtlininen eines neuen Staates erfüllt. Wir unterschrieben alle europäischen und internationalen Konventionen, wir erklären in unserer Verfassung die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen. Ich bin schlichtweg zuversichtlich, wir werden mit Kroatien und Slowenien als neuer Staat Europas anerkannt werden.

Zu Kroatien und Slowenien bestehen diesbezüglich wenig Zweifel, wenngleich auch da nicht alle Staaten die Anerkennung aussprechen werden. Doch über Mazedonien hört man diesbezüglich nichts.

Das mag sein, daß die Presse Mazedonien links liegen läßt, doch auf internationaler Ebene sind wir längst hoffähig. Im September haben wir unsere Souveranität erklärt, im November eine neue Staatsverfassung verabschiedet, das ist weltweit begrüßt worden. Unsere Nachbarn Bulgarien und Albanien sehen sogar in der Staatswerdung Mazedoniens einen Garant für Frieden in der Region.

Griechenland und Serbien sehen das aber anders, da herrschen eher Befürchtungen vor...

Diese Befürchtungen werden wir durch diplomatische Verhandlungen auch noch aus dem Wege räumen.

Auch die innenpolitischen Probleme Ihrer Republik? Die albanischen Minderheitenvertreter im Parlament haben doch bekanntlich gegen die neue Verfassung gestimmt, da sie mit einem Bevölkerungsanteil von über 25 Prozent nicht als staatstragendes Volk verfassungsrechtlich Erwähnung finden.

In unserer Verfassung heißt es, Mazedonien ist eine Republik seiner Bürger. An keiner Stelle sprechen wir, anders als man dies in Zagreb und Ljubljana tut, von einem Nationalstaat der Mazedonen. Wir versuchten damit von Anfang an, die Idee eines Nationalstaates zu verwerfen. In vielen Punkten ist unsere Verfassung eine Kopie westlicher Verfassungen und internationaler Konventionen zu Menschenrechts- und Minderheitenfragen. Ich glaube, wir gestehen unseren Minderheiten, den Albanern, Roma und Serben die Rechte zu, wie sie den neuesten europäischen Normen entsprechen. Die mazedonischen Minderheiten in Griechenland und Bulgarien können dies nicht sagen. Die Frage der Minderheiten wird von der EG global aufgegriffen, nicht nur als ein zwischenstaatliches Problem gesehen. Ich wünsche mir deshalb, daß die Anliegen aller Völker des Balkans auf europäischem Niveau behandelt werden und sich so die einzelnen Spannungen, die es zweifelsohne gibt, auf friedlichem Wege lösen werden und nicht wie in Kroatien durch Krieg. Ich bin zuversichtlich, daß beim Bau eines europäischen Hauses auch Mazedonier und Griechen zueinander finden werden. Uns allen bleibt gar keine andere Möglichkeit, die Mazedonier setzen auf Europa.

Interview: Roland Hofwiler